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Integrationsgipfel: Die Kanzlerin besucht Mesut Özil und Co. in der Kabine.

© dpa

DFB-Elf in Berlin: Bekanntschaften in Mitte

Berlin ist für die Fußball-Nationalmannschaft seit der Weltmeisterschaft 2006 ein besonderer Standort.

Die Delegation des Deutschen Fußball-Bundes hat in den kommenden Tagen in Berlin ein pralles Programm zu bewältigen. Rund um das WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden am Dienstag im Olympiastadion gibt es einige Veranstaltungen, mit denen der DFB seine kulturelle, sport- und gesellschaftspolitische Rolle dokumentieren will. Einen besseren Ort als Berlin, das kulturelle und politische Zentrum des Landes, kann es dafür kaum geben. Im Festsaal des Abgeordnetenhauses vergibt der Verband am Dienstag den Fair-Play-Preis, im Alten Stadthaus zeichnet er am Nachmittag drei Fangruppen mit dem Julius-Hirsch-Preis aus, und im Gropius-Bau wird eine Fotoausstellung zur Nationalmannschaft eröffnet.

Berlin hat für die Nationalmannschaft lange keine besondere Rolle gespielt, doch das hat sich seit der Weltmeisterschaft 2006 einschneidend geändert. Das Länderspiel gegen Schweden ist bereits das sechste in Berlin, seitdem das Olympiastadion für die WM modernisiert worden ist. So viele hatte es in den 20 Jahren zuvor nicht gegeben.

Am Anfang war Jürgen Klinsmann. Dass gleich sein erstes Heimspiel als Bundestrainer – im September 2004 gegen Brasilien – im Olympiastadion ausgetragen wurde, war noch Zufall. Gegner und Ort standen weit vor seinem Amtsantritt fest; es war allerdings ausschließlich Klinsmanns Entscheidung, mit der Mannschaft kein abgeschottetes Hotel im Grünen zu beziehen, sondern sich am Potsdamer Platz, mitten im Getümmel, niederzulassen. Einen „Kulturschock für den DFB“ machte der Tagesspiegel damals aus, lobte den neuen Bundestrainer aber auch für seinen „Mut zur Offenheit“. So wie Berlin, so wollte der erklärte Modernisierer Klinsmann auch die Nationalmannschaft haben: voller Überraschungen, spannend, modern, aufreibend und immer im Wandel begriffen.

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Jürgen Klinsmann zog es auch in der Folge immer wieder in die Hauptstadt. In den Tagen vor einem Länderspiel in Bratislava versammelte er sein Team in Berlin; vor allem aber setzte er sich vehement dafür ein, während der Weltmeisterschaft in der Stadt zu logieren – gegen heftigen Widerstand aus dem Verband, der schon bei Leverkusen und dem Bayer-Konzern im Wort stand. Klinsmann sprach von einer logischen Entscheidung, weil „wir jetzt besser nach Berlin passen“. Und auch Oliver Bierhoff verteidigte den Entschluss des Bundestrainers. „Wir denken, dass wir uns im Zentrum Deutschlands zeigen müssen. Berlin ist das Optimale“, sagte der Manager der Nationalmannschaft. „Wir müssen davon weg, uns einzuigeln. Berlin hat Schwung, Spannung und Fieber – da wollen wir mittendrin sein.“

Es war in erster Linie eine programmatische Entscheidung: Die Nationalmannschaft sollte vom Rand ins Zentrum des Landes rücken, auch ins politische. Inzwischen lässt sich feststellen, dass der Plan funktioniert hat. Die Spitzenpolitik ist seit der WM 2006 ständiger Begleiter der Nationalmannschaft. Man kennt sich, man sieht sich, auch und vor allem in Berlin: zum zwanglosen Abendessen im Bundeskanzleramt, zur offiziellen Ehrung im Schloss Bellevue – aber auch zum privaten Kamingespräch mit dem Bundespräsidenten. Das letzte Länderspiel, vor zwei Jahren gegen die Türkei, nutzte Angela Merkel zu einem persönlichen Integrationsgipfel. Kurz nach dem Abpfiff tauchte die Bundeskanzlerin unangekündigt in der deutschen Kabine auf und posierte mit dem halbnackten Mesut Özil für den eigens bestellten Fotografen. Schwer vorzustellen, dass eine solche Begegnung in, sagen wir, Kaiserslautern stattgefunden hätte.

Die Verzahnung von Spitzenfußball und Spitzenpolitik ist vom damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger durchaus befördert worden. Zwanziger hat sein Amt immer auch als ein politisches verstanden – und soll entsprechend erbost gewesen sein, dass er vom spontanen Kabinenbesuch der Bundeskanzlerin nichts wusste und deshalb auf den schönen Beweisfotos nicht zu sehen war. Zwanzigers Nachfolger Wolfgang Niersbach pflegt ebenfalls ein gutes Verhältnis zu Merkel; die gesellschaftspolitische Positionierung der Nationalmannschaft genießt bei ihm jedoch nicht die höchste Priorität. Besuche der Bundeskanzlerin wie zuletzt bei der EM in Danzig sind natürlich trotzdem immer willkommen – weil sie hervorragend herhalten als Beleg für die Bedeutung der Nationalmannschaft.

Auch bei Klinsmanns Nachfolger Joachim Löw war zuletzt eine Rückbesinnung auf den Fußball zu beobachten – vielleicht versteht der Bundestrainer sich deshalb so gut mit dem neuen DFB-Präsidenten. Löw, im Schwarzwald aufgewachsen, lebt sein Faible für Sportschulen am Waldrand inzwischen schon wieder aus. Er schätzt Idylle und Abgeschiedenheit mehr als Trubel und Abwechslung. Das zeigt sich sogar, wenn er mit seinen Spielern wie jetzt in der Hauptstadt zu Gast ist. Zum ersten Mal seit Jahren logiert die Nationalmannschaft nicht am Potsdamer Platz, sondern in ihrem 2006er WM-Quartier im Grunewald. Weiter kann man innerhalb der Stadt von Berlins aufregender Mitte kaum entfernt sein. Immerhin gab er den Sonntagnachmittag seinen Spielern zur freien Verfügung.

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