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Überall speziell: Thomas Müller (Mitte) kann dank seiner Vielseitigkeit diverse Positionen bekleiden. Gegen Irland könnte er sogar im Sturmzentrum auflaufen.

© dpa

Nationalelf gegen Irland: Im Zeichen der Neun

Im vorletzten WM-Qualifikationsspiel am Freitagabend gegen Irland könnten Thomas Müller oder Max Kruse den deutschen Stürmer geben. Auch Mesut Özil ist eine Alternative.

Endlich mal eine andere Frage als die zuletzt übliche nach Gomez oder Klose oder Kießling. Wurde ja auch ein bisschen langweilig, weil Joachim Löw diese Frage zwar durchaus alternierend beantwortet hat, als Alternativen immer nur die beiden ersten Namen zur Verfügung standen und der dritte allenfalls an Stammtischen favorisiert wurde.

Es geht bei dieser Frage auch um das grundsätzliche Missverständnis, nach dem ein Bundestrainer seine Mannschaft nach dem Belobigungsprinzip für verdiente Leistungen zusammenstellt. Die Nationalmannschaft aber ist kein Allstarteam. Der Bundestrainer wird dafür bezahlt, dass er eine Fußballphilosophie entwickelt und sich dafür das geeignete Personal aussucht. Joachim Löw hat sich bei der Besetzung der Planstellen im Angriff für Mario Gomez und Miroslav Klose entschieden. Ihre Spielweise entspricht seinen Vorstellungen, auch wenn sie zuletzt zusammen nicht so viele Tore geschossen haben wie Stefan Kießling ganz allein. Diese Entscheidung ist allein Löws Sache. Angela Merkel lässt sich ja auch nicht einen Sportminister Franz Beckenbauer aufschwatzen, obwohl das durchaus wählerkompatibel klingt.

Am Freitag nun spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Köln gegen Irland (20.45 Uhr, live bei ARD) um die vorzeitige Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, und auf einmal ist doch Bewegung gekommen in die Diskussion. Klose ist verletzt, Gomez auch und Kießling darf sich wie gewohnt auf Bayer Leverkusen konzentrieren. In Köln lautet die Frage: Kruse oder Müller?

Schwer zu beantworten, findet Bastian Schweinsteiger und versucht es trotzdem. Also: „Der Thomas Müller kann ja auf vielen Positionen spielen, und er stellt sie alle auf, nun ja, ganz besondere Weise dar...“ Schweinsteiger unterdrückt ein Glucksen, er kennt Müller und dessen unorthodoxen Stil aus dem Alltag beim FC Bayern, wo sie sich längst schon nicht mehr wundern über das, was der schlaksige Bursche mit seinen langen Haxen so alles anstellt. Aber er nagelt die Bälle so zuverlässig in die Kiste, dass ihn zuletzt auch der Fußballheilige Pep Guardiola in den Angriff gestellt hat.

Was nun den Mönchengladbacher Max Kruse betrifft: „Bei dem läuft es eher über das Spielerische.“ Glaubt jedenfalls Bastian Schweinsteiger, aber so ganz genau kann er das nicht sagen, denn er kennt Kruse nur aus dem Fernsehen und von zwei, drei Bundesligaspielen, „wir haben noch nie zusammengespielt“.

Bei der EM 2012 war die falsche Neun die revolutionäre Neuentdeckung

Schweinsteiger ist in der Nationalmannschaft für das schnelle Umschaltspiel zuständig, für das Einleiten der Angriffe, die der Mann ganz vorn im Optimalfall mit Toren krönen soll. Das über Jahre gewachsene Verständnis mit dem Kollegen Müller würde eher für ihn als Stürmer sprechen. Der Konkurrent Kruse sieht sich selbst eher als eine Nummer zehn denn als klassischer Stürmer, er könnte sich auch anfreunden mit einer Beschäftigung als falsche Neun. So heißen im neudeutschen Taktikidiom die Stürmer, die eigentlich keine sind, weil sie sich zum Ärger der Gewohnheitstiere aus der gegnerischen Innenverteidigung gern zurückfallen lassen und aus der Etappe anschleichen.

Die falsche Neun war auf Länderspielebene die revolutionäre Neuentdeckung bei der Europameisterschaft 2012 bei Spanien. Trainer Vicente Del Bosque machte sich einen Spaß daraus, ein paar Mal den defensiven Mittelfeldspieler Cesc Fabregas mit diesem Job zu betrauen. Del Bosques Mannschaft wurde denn auch Europameister. Aber Torschützenkönig wurde der Spanier Fernando Torres, der eine ganz echte Neun auf dem Rücken trug und dem Ideal eines typischen Strafraumstürmers so nahe kommt wie auf diesem Niveau sonst nur der Kolumbianer Radamel Falcao vom AS Monaco.

Löw hätte wohl nichts gegen Torres oder Falcao in seiner Mannschaft. Seine visionäre Sympathie aber gehört flexiblen Angreifern, die ihren Platz nicht stur zwischen den Innenverteidigern verorten. „Der Fußball hat sich verändert“, sagt der Bundestrainer. „Die Spieler sind technisch besser ausgebildet und immerzu gefordert, auf engem Raum Orientierung zu wahren und Lösungen zu finden.“ Auch Löw hat es schon mit einem stürmerlosen Sturm probiert. In der WM-Qualifikation gegen die allerdings nur bedingt wettbewerbsfähigen Kasachen und im Freundschaftsspiel gegen die Niederlande. Mario Götze erledigte die Aufgabe jeweils zur großen Zufriedenheit des Bundestrainers. Götze aber ist nach einer Verletzung gerade erst wieder dabei, seinen Rhythmus zu finden und wird in Köln keinesfalls in der Stammformation stehen.

Joachim Löw hat sich im Düsseldorfer Trainingsquartier wie gewohnt um eine klare Antwort gedrückt und nur verklausuliert zu erkennen gegeben, in welche Richtung es gegen die Iren gehen könnte. Wie es sich für ein Gastspiel in Köln gehört, hält er es mit dem früheren Bürgermeister Konrad Adenauer und dessen Maxime: keine Experimente! Einen Stürmer Thomas Müller könne er sich schon vorstellen, „aber nur, wenn ich keine anderen Lösungen habe. Dafür ist er für uns auf der rechten Seite zu wichtig.“ Und Kruse? Hat ihn im Sommer auf der Amerika mit seiner Spielweise durchaus überzeugt: „Sehr variabel, sehr ballsicher. Ich bin sehr froh, dass ich so einen Spielertypen in meiner Mannschaft habe.“

Ähnlich wohlwollend äußert sich Mesut Özil über Kruse, die beiden kennen sich aus Bremen. „Super-Junge“, sagt der Neulondoner, „ich komme sehr gut mit ihm klar“, aber vielleicht wird davon am Freitag nicht viel zu sehen sein. Als Überraschungskandidat für die falsche Neun ist nämlich auch Mesut Özil im Gespräch, in Gedenken an seine famose halbe Stunde auf dieser Position beim Test zu Beginn des Jahres in Frankreich. In diesem Fall hätte die Frage nach Kruse oder Müller für Köln dieselbe Relevanz wie die Frage nach Gomez oder Klose oder Kießling. Nämlich gar keine.

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