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Nationalmannschaft: Clevere Muskeln für die EM

An der Fitness der DFB-Elf wird akribisch gearbeitet - auch mit Atemtraining und der richtigen Matratze. Im Testspiel gegen Weißrussland können die Nationalspieler unter Beweis stellen, ob sich die Liebe zum Detail auch auf dem Platz bemerkbar macht.

Die Deutschen wissen einfach, was sie ihrem Ruf schuldig sind. Sie gelten als penibel und perfektionistisch, doch immer wenn man glaubt, penibler und perfektionistischer geht es wirklich nicht mehr, setzen sie mit Sicherheit noch einen drauf. Wie jetzt in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft. Jeder Nationalspieler hat eine eigene Matratze bekommen, die ihn aus dem Trainingslager auf Mallorca mit ins EM-Quartier am Lago Maggiore begleiten wird. Das Besondere an dieser Matratze ist, dass sich ihr Härtegrad mit einer Fernbedienung individuell bestimmen lässt, damit die Spieler schlafen wie zu Hause in ihrem eigenen Bett. Der Hersteller wirbt sogar damit, dass die sanfte Pendelbewegung der Matratze den Schlafenden unbewusst an den geborgenen Zustand im Mutterleib erinnere: "Das Urvertrauen kehrt zurück, der Mensch entspannt sich."

Oliver Schmidtlein, der Fitnesstrainer der Fußball-Nationalmannschaft, sagt: "Schlafen ist das wichtigste Thema bei der Regeneration." Und die Deutschen wollen sich am Ende nicht vorwerfen lassen, sie hätten nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. "Wir versuchen, an alles zu denken", sagt Schmidtlein, der schon vor und während der Weltmeisterschaft 2006 zum Trainerstab der Nationalmannschaft gehörte. Vier Mitarbeiter, angeführt vom Amerikaner Mark Verstegen, trimmen die Spieler für die Anforderungen des Turniers. "Mit der Fitness, die der Allgemeinbürger kennt, hat das nicht viel zu tun", sagt Schmidtlein. "Das Fitnesstraining der Fußballer sieht schon ein bisschen anders aus." Es gehe nicht darum, dicke Muskeln zu bekommen, erklärt Verstegen, es gehe um clevere Muskeln.

Im Stadion Son Moix des spanischen Erstligisten RCD Mallorca hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unter der Tribüne ein riesiges Fitnessstudio eingerichtet. Über den Wert der Geräte und die Kosten für den Verband will Verstegen nicht sprechen. Das kahle Gelass wurde mit weißen Stoffbahnen verhängt, großformatige Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Szenen des Sommermärchens. Die Erinnerung an das WM-Turnier dient immer noch als Motivation - und die zielgerichtete Fitness der Spieler als die Basis des schönen Erfolges. "Die Vorbereitung wird gut, richtig gut", sagte Bundestrainer Joachim Löw. "Das gibt mir eine gewisse Ruhe, eine gewisse Kraft auch." Den Spielern ebenfalls. Clemens Fritz sagte: "Man merkt, dass da ein Rad ins andere greift."

Am ersten Tag auf Mallorca sind alle Spieler medizinisch durchgecheckt worden. Der Gesamtzustand war gut, trotzdem wurden und werden die Spieler individuell nach ihren jeweiligen Anforderungen trainiert und belastet. Während der Trainingseinheiten auf dem Platz tragen sie Messgeräte um den Brustkorb, die Daten werden drahtlos auf einen Laptop gesendet und erlauben eine ständige Kontrolle und, wenn nötig, Korrektur. "Wir tunen jeden Spieler für seine Position", sagt Verstegen, der gerne in plakativen Bildern spricht. Christoph Metzelder zum Beispiel, der im Jahr nur 2008 nur ein Spiel für Real Madrid bestritten hat, wird den Fitnessraum häufiger sehen als andere Spieler, die in dieser Saison stärker belastet worden sind. "Je besser die Basis ist, desto weniger verletzungsanfällig sind die Spieler", sagt der Bundestrainer. "Und desto mehr kann ich in der Spitze arbeiten." Bei der Entscheidung, welche drei Spieler heute, am Tag nach dem Testspiel gegen Weißrussland (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet), noch aus dem Kader gestrichen werden, spielt laut Löw auch der körperliche Eindruck eine Rolle.

Jetzt, nach mehr als einer Woche auf Mallorca, hat das Fitnessprogramm nur noch begleitenden Charakter. "Entscheidend wird das Fußballtraining sein", sagt Schmidtlein. Während der EM selbst wird die Fitness nur noch punktuell trainiert. Es sei denn, ein Spieler war verletzt und muss den Rückstand aufholen. Zum Equipement gehören jetzt auch Geräte zum Training der Atemmuskulatur, wie sie von Triathleten oder im Radsport genutzt wird. "Es hat auch für Fußballer einen Effekt", sagt Schmidtlein. Wer am normalen Ausdauertraining nicht teilnehmen kann, kann mit gezieltem Atemtraining gegen den Verlust der Ausdauer ankämpfen. Das alles mögen nur Details sein, am Ende aber fügen sie sich zu einem größeren Bild, das in sich stimmig sein muss. Oder wie Mark Verstegen es ausdrückt: "Mit Fitness gewinnt man nicht unbedingt ein Turnier, aber ohne sie verliert man es ganz bestimmt."

Helen Ruwald

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