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Nationalmannschaft: Das Fitnessversprechen

Akribisch bereitet Bundestrainer Löw sein Team auf die EM vor – dabei hat er weniger Zeit als 2006.

Joachim Löw hat dieser Tage eine grandiose Gelegenheit verpasst, Europa durch Vortäuschung falscher Tatsachen in Sicherheit zu wiegen. Der Bundestrainer war von einem polnischen Journalisten darauf angesprochen worden, dass der polnische Verband zwei Scouts zum Freundschaftsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Österreich nach Wien entsandt habe; ob denn die Deutschen ihren EM-Gruppengegner Polen bei seinem Länderspiel auf Zypern ebenfalls beobachteten. Joachim Löw legte eine kurze dramaturgische Pause sein, dann antwortete er: „Wir arbeiten auch.“ Chance vertan.

Vermutlich hätte es ihm aber auch niemand abgenommen, wenn er behauptet hätte: Wir sind so gut, wir haben so was nicht mehr nötig. Die Deutschen sind in der Welt bekannt für ihre Art der Vorbereitung. Wolfgang Niersbach, der neue Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes, hat über Löws Arbeitsweise gesagt: „Es ist die Steigerung von Akribie.“ Bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren haben die Deutschen mit ihrer überakribischen Planung beste Erfahrungen gemacht, auch an die EM im Juni werden Löw und sein Team wieder mit protestantischem Arbeitsethos herangehen. „Wir können nicht versprechen, dass wir Europameister werden“, sagt Löw. „Aber wir können versprechen, dass wir uns europameisterlich vorbereiten werden.“

Der deutsche Erfolg bei der WM war ohne Frage der Erfolg einer bis ins letzte durchdachten Planung. Erst die Summe vieler Details, von der präzisen Kenntnis der Gegner bis zur überdurchschnittlichen Fitness, half der Mannschaft, ihre spielerischen Defizite zu kompensieren. Aus dieser Erfahrung rührt die Akribie, mit der Löw auch an die EM herangeht. Er wirkt sogar noch versessener als sein Vorgänger Jürgen Klinsmann. Die Voraussetzungen sind allerdings nicht so komfortabel wie vor der WM: Für die Vorbereitung stehen fünf Tage weniger zur Verfügung. „Jeder einzelne Tag ist besonders wertvoll“, sagt Löw deshalb.

Ein Regenerations-Trainingslager wie vor der WM wird es diesmal nicht geben. Zwar fliegen die Familien der Nationalspieler am 19. Mai mit nach Mallorca, schon nach drei Tagen aber beginnt das normale Übungsprogramm. Das Problem ist, dass die Spieler in den Wochen zuvor vermutlich sehr unterschiedlich belastet wurden. Die Nationalspieler werden daher zunächst sehr individuell trainieren. „Nach einigen Tagen sollen alle auf einem Level sein, damit es ein gezieltes Training im Mannschaftsverbund geben kann“, sagt Oliver Schmidtlein, der Fitnesstrainer der Nationalmannschaft. Die Inhalte werden für Schmidtleins Ressort ähnlich sein wie vor der WM. „Es geht um Schnelligkeit und Explosivität“, sagt er, „konditionell ist in der Kürze nicht mehr viel machbar.“ Die Grundlagenausdauer wird bei den Nationalspielern daher vorausgesetzt, wenn zwei Tage nach dem Ende der Bundesligasaison das Projekt EM-Titel beginnt. „Die Spieler müssen eine sehr gute Grundlage haben, so dass wir dann das Sahnehäubchen draufsetzen können“, sagt Schmidtlein.

Alle Spieler sind zudem angehalten, in eigener Verantwortung an sich zu arbeiten. „Wir sagen jedem Einzelnen jetzt immer wieder: Du bist dein wichtigster Coach“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der deutschen Nationalelf. Joachim Löw erwartet, dass die Spieler zwei- oder dreimal die Woche über das Training hinaus in den Vereinen an sich arbeiten, je 20 bis 30 Minuten. „Wir werden da nicht lockerlassen“, sagt Löw. „Die Nationalspieler sind die Elite, da ist es doch selbstverständlich, dass sie mehr tun müssen als der ganz normale Bundesligaprofi.“

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