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© pa/Pressefoto Ulmer

Nationalmannschaft: Der Friedensschluss von Oberhaching

In der Nationalmannschaft gärt es. Kapitän Michael Ballack und Manager Oliver Bierhoff haben zwar ihren nach dem verlorenen EM-Finale eskalierten Disput aus der Welt geredet, trotzdem bleiben Zweifel an der Stellung des Kapitäns innerhalb der Nationalmannschaft

Man muss wohl davon ausgehen, dass Oliver Bierhoff im Moment richtigen Spaß an seinem Beruf hat. Es gibt wieder eine Menge zu organisieren, das ist Bierhoffs Welt. Im nächsten Monat wird der Manager der Nationalmannschaft nach Südafrika reisen und sich dort mehrere Hotels anschauen, die als Quartier für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in- frage kämen. Dabei wissen die Deutschen nicht einmal, ob sie überhaupt in Südafrika dabei sein werden, erst am Samstag beginnt für sie mit dem Auswärtsspiel in Liechtenstein die WM-Qualifikation. Vor der Reise nach Südafrika muss Bierhoff noch ein anderes Großprojekt organisieren. Am 7. Oktober veranstaltet der Deutsche Fußball-Bund in Düsseldorf eine Art Tag der offenen Tür mit allerlei Aktionen und einer öffentlichen Trainingseinheit der Nationalmannschaft. Der Kontakt zur Basis, zu den Fans der Nationalmannschaft, ist Bierhoff ein ganz besonderes Anliegen. Dafür würde er notfalls auch Prügel beziehen.

Ganz so weit ist es nicht gekommen, als Bierhoff unmittelbar nach dem verlorenen EM-Finale Ende Juni in Wien Auge in Auge Michael Ballack gegenüber- stand. Der Kapitän der Nationalmannschaft hatte sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, ein Transparent mit der Aufschrift „Danke“ in die Fankurve zu tragen. Ballack beschimpfte Bierhoff und soll ihm sogar körperliche Gewalt angedroht haben. Eine unangenehme Geschichte für die Nationalmannschaft, die während der Europameisterschaft von sich das Bild einer durch und durch harmonischen Gemeinschaft vermitteln wollte. Selbst Bundestrainer Joachim Löw tadelte Ballack später mit den Worten: „Als Kapitän muss man sich nicht mit solchen Ausdrücken abreagieren.“ Alles geklärt, heißt es jetzt, fast zehn Wochen später.

Am Dienstag, kurz vor dem Abschiedsspiel von Oliver Kahn, gab es den Friedensschluss von Oberhaching. „Wir wollten eigentlich schon im August sprechen“, sagte Bierhoff. Beim Länderspiel gegen Belgien in Nürnberg aber fehlte Ballack verletzt. Auch für die Qualifikationsspiele in Liechtenstein und Finnland fällt der Kapitän der Nationalmannschaft mit einer Entzündung und Stauchung am linken Mittelfuß aus, trotzdem reiste Ballack ins Trainingslager nach Oberhaching, um sich dort untersuchen und medizinisch behandeln zu lassen. „Es ist nichts Ernstes“, berichtete er. „Ich muss zwei Wochen pausieren.“

Nichts Ernstes – so wollen die Beteiligten auch die Auseinandersetzung von Wien verstanden wissen. Die Angelegenheit sei sehr schnell ausgeräumt worden, berichtete Bierhoff über die Aussprache. „Es gibt kein Problem in der weiteren Zusammenarbeit.“ Damit sei das Thema für ihn auch erledigt. Das diplomatische Kommuniqué fiel, wie zu erwarten, reichlich dünn aus, Details der Unterredung gab er nicht preis.

Was bleibt, sind Zweifel an Ballacks Position innerhalb der Mannschaft. Passend zum Friedensschluss erschien in der „Sportbild“ gestern unter der Schlagzeile: „Der isolierte Kapitän“ ein Bericht, in dem von einer breiten Front gegen Ballack die Rede ist und seine Führungsqualitäten angezweifelt werden. „Das finde ich ein bisschen schwach“, sagte Bastian Schweinsteiger. Marcell Jansen bezeichnete Ballack als „eine richtige Führungspersönlichkeit“. Dass unter Fußballern ein paar härtere Worte fielen, auch im Training, sei völlig normal. „Das ist ja kein Drama.“

Doch schon während der EM waren aus dem ebenso idyllischen wie hermetisch abgeschotteten Quartier am Lago Maggiore Gerüchte nach außen gedrungen, dass Ballack einem Teil der Mannschaft mit seiner kritischen Art gehörig auf die Nerven gehe. „Ob sich da im Laufe der Zeit etwas aufgebaut hat, weiß ich nicht“, sagte Oliver Bierhoff. Dass es ein generelles Problem im Binnenverhältnis der Mannschaft gegeben habe, bestritt er allerdings. Ein Führungsspieler wie Ballack ecke auch mal an, er müsse auch Konflikte eingehen. „Das verlangen wir von Michael als Kapitän, dass er die Dinge anspricht“, sagte Bierhoff.

Auch wenn die mehrfach gefilterten Nachrichten aus dem inneren Kreis der Nationalmannschaft nach den Erfahrungen der EM mit Vorsicht zu genießen sind, gab Marcell Jansen gestern noch eine beruhigende Beobachtung aus dem Speisesaal weiter. Demnach muss man sich keine Sorgen um Michael Ballack und seine Stellung in der Mannschaft machen: „Er sitzt nicht alleine am Tisch.“

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