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Nationalmannschaft: Ein bisschen viel Hoffnung

75 Tage vor der EM hat Bundestrainer Löw einige Probleme in seinem Kader. Lediglich drei Spieler befinden sich auf Turnierniveau, der Rest muss entweder verletzungsbedingt pausieren oder leidet unter Formschwäche.

Die guten Nachrichten für Joachim Löw reißen gar nicht ab. In der vergangenen Woche hat er mit Christoph Metzelder in Madrid telefoniert, und die Selbstdiagnose des Innenverteidigers war durchaus erfreulich. „Sein Fuß ist absolut belastbar“, berichtete Löw, der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Metzelder kann nach seiner Operation schon wieder laufen und ist wieder im Balltraining. Da fügt es sich bestens, dass Torsten Frings, der zweite Langzeitverletzte aus Löws Kader, am Sonntag nach fast fünf Monaten Pause sogar schon wieder für Werder Bremen auf dem Platz stand. „Das ist erfreulich“, sagte Löw. „Das gibt uns Hoffnung.“

Hoffnung macht für Löw derzeit einen wichtigen Teil seiner Tätigkeit aus. Dass Metzelder wieder läuft, sagt nämlich noch lange nichts darüber, wie lange es dauert, bis er wieder spielfit ist. Und falls er rechtzeitig vor der Europameisterschaft spielfit werden sollte, heißt das nicht, dass er bei Real auch spielen darf. Zuletzt drangen Gerüchte nach Deutschland, dass der Klub nicht mehr allzu viel von dem deutschen Verteidiger halte. Trotzdem sieht Löw in Metzelder weiterhin einen Schlüsselspieler für das Projekt EM. „Für ihn sprechen die Turniere“, sagt der Bundestrainer. Metzelder war im Grunde nur zweimal in seiner Karriere auf der Höhe seiner Schaffenskraft: bei den WM-Turnieren 2002 und 2006. Alles davor, danach und dazwischen war Regeneration.

Das eigentliche Problem für Löw aber ist, dass Metzelder 75 Tage vor dem ersten EM-Spiel der Deutschen nicht sein einziges Problem ist. Von den potenziellen Stammspielern für die Europameisterschaft erreichen derzeit nur drei konstant das nötige Turnierniveau: Michael Ballack, Arne Friedrich und Mario Gomez. Alle anderen leiden unter Formschwäche (Schweinsteiger, Schneider), schwanken in ihren Leistungen (Lahm, Mertesacker, Jansen, Klose), sind respektive waren verletzt (Metzelder, Frings) oder spielen gar nicht (Lehmann). Und auch die Spieler, die dem Stamm eigentlich Konkurrenz machen sollten, Borowski, Kuranyi, Podolski, Hilbert oder Hitzlsperger, suchen derzeit ihre Form.

Das Länderspiel am Mittwoch gegen die Schweiz (20.45, live im ZDF) ist für Joachim Löw die letzte Gelegenheit, seine Mannschaft vor der Nominierung des EM-Kaders noch einmal in der Praxis zu sehen. Der Bundestrainer erhofft sich von der Begegnung „einige Erkenntnisse über den Fitnesszustand und die Dynamik einzelner Spieler“. Aus der Analyse werde sich dann ergeben, welche Spieler in den Wochen bis zur Nominierung am 16. Mai damit rechnen müssen, dass sie „ganz besonders und sehr intensiv beobachtet werden“. Nach aktuellem Stand dürften die Kapazitäten des Bundestrainers dafür kaum reichen.

Der Bundestrainer steht vor der Herausforderung, die Lage weder zu dramatisieren noch zu beschönigen. Bei jedem einzelnen Spieler hat er gute Gründe, optimistisch zu sein, dass er bis zur EM zur gewohnten Leistungsstärke zurückfindet, und den fehlenden Spielrhythmus könne man während des Turniers kompensieren. „Vor der WM hatten wir eine fast gleiche Situation“, sagt Löw. „Das beunruhigt mich weniger.“ Anders als vor zwei Jahren aber, als die Nation vor allem Zweifel an der Wettkampftauglichkeit der Mannschaft als solcher hegte, fokussiert sich die Skepsis diesmal auf einzelne Spieler. „Bei allen Turnieren wird das so sein. Dass ein Spieler über eine ganze Saison in einer absoluten Topverfassung ist – das gibt es fast nirgends“, sagt Löw. „Ich denke, das kriegt man hin.“

Die Zuversicht rührt auch daher, dass er das vor zwei Jahren schon einmal hingekriegt hat. „Unsere Mannschaft braucht Automatismen, braucht Trainingseinheiten“, sagt der Bundestrainer. Unmittelbar vor der WM schmiedete Löw, damals noch als Klinsmanns Assistent, eine funktionierende Einheit, die ihre individuellen Defizite als Mannschaft kompensieren konnte und sich am Ende weit besser verkaufte, als man ihr zuvor zugetraut hatte. „Wir werden die Vorbereitung nutzen, um richtig warm zu werden“, sagt Linksverteidiger Marcell Jansen. Joachim Löw hofft zumindest nicht allein.

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