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© dpa

Nationalmannschaft: Eine Lücke in der letzten Linie

Für die Innenverteidigung gibt der deutsche Markt nicht viel her – Heiko Westermann ist eine Ausnahme.

Eigentlich meint es Dieter gut mit Nordeuropa. Dieter kommt vom Eismeer und verspricht sonniges, trockenes Wetter, aber leider hat sich das bis Finnland noch nicht herumgesprochen. In Helsinki regnet es genauso stark wie zuletzt am Wochenende in Liechtenstein, dafür ist es nicht ganz so warm. Also hoffen sie in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, dass Hochdruckgebiet Dieter seine Ankündigung wahr macht und heute zum WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland wenigstens ein Anflug des versprochenen Altweibersommers herrscht. Der Hamburger Marcell Jansen hat gerade eine Erkältung auskuriert, der Schalker Christian Pander ist wegen eines grippalen Infektes gar nicht erst mit nach Helsinki geflogen.

Pander und Jansen sind in der Nationalmannschaft für defensive Aufgaben zuständig, und die sind in jüngster Vergangenheit nicht so zuverlässig erledigt worden. Auf der linken Seite ist Philipp Lahm über jeden Zweifel erhaben. „Aber rechts sind wir leider nicht so gut bestückt“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. Arne Friedrich arbeitet in Berlin an seiner Rekonvaleszenz. Sein Vertreter Clemens Fritz hatte am Samstag so viel mit sich selbst zu tun, dass er kaum Zeit fand, auf die drittklassigen Liechtensteiner zu achten. Vielleicht testet Löw heute Andreas Hinkel, der sich bei Celtic Glasgow wieder interessant gemacht hat. Ja, über Veränderungen habe er schon nachgedacht, sagt der Bundestrainer, „es war ja nicht zu übersehen, dass noch nicht alle Spieler in hervorragender Verfassung sind“.

In welcher Verfassung Christoph Metzelder wohl ist? Bei Real Madrid ist der Innenverteidiger nach auskurierter Fußverletzung laut Trainer Bernd Schuster „ganz dicht dran“. Für Joachim Löw ist er „nach wie vor ein Führungsspieler“, aber auf den Platz wird er ihn heute wohl nicht schicken. Nicht, weil Metzelder bei der EM so weit unter seiner Form gespielt hat, dass er auch noch seinen derzeit verletzten Passmann Per Mertesacker nach unten riss. „Beide spielen für unsere Zukunft eine große Rolle“, verspricht Löw. Aber gegen Finnland wird der Bundestrainer sein im August begonnenes Experiment weiterführen und seine neue Innenverteidigung mit Heiko Westermann und Serdar Tasci testen.

Innenverteidiger sind die Schlüsselspieler des neuen Jahrtausends. Verlangt wird von ihnen mehr als nur Torverhinderung. Der moderne Innenverteidiger muss nicht nur Zweikämpfe gewinnen, er soll auch mit vertikalen Pässen das Spiel eröffnen. Sozusagen als Spielmacher am eigenen Strafraum. „Mit dieser Philosophie werden wir unsere Nachwuchsspieler ausbilden“, sagt Matthias Sammer, der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes. Das ist schön für die Zukunft, lindert aber nicht die Probleme der Gegenwart. Zurzeit entspricht im gelobten Land der Vorstopper und Liberos kaum ein Innenverteidiger dem neuen Anforderungsprofil.

Die Bundesliga hat auf dieses Problem mit viel Geld reagiert und einen Großteil des Transferbudgets in Innenverteidiger investiert. Bremen hat den Österreicher Prödl geholt, Stuttgart den Holländer Boulahrouz, Hannover den Schweizer Eggimann, kurz vor Ende der Transferperiode gab der Hamburger SV noch 6,5 Millionen Euro für den Brasilianer Alex Silva aus. Das Vertrauen auf ausländische Kräfte ist so groß, dass Innenverteidiger Heiko Westermann bei seinem Klub Schalke 04 so ziemlich alles spielen kann, nur nicht auf seiner Lieblingsposition, weil dort der Brasilianer Bordon gesetzt ist. „Ich bin dem Bundestrainer dankbar, dass er mir die Chance auf dieser Position gegeben hat“, sagt Westermann. Bei der EM hat er keine einzige Minute gespielt, in den beiden Spielen der neuen Saison keine einzige Minute versäumt, wie auch sein Stuttgarter Nebenmann Serdar Tasci. Für die neue deutsche Innenverteidigung spricht, dass sie gegen Belgien und Liechtenstein kein Gegentor kassiert hat. „Man muss aber sehen, dass beide Mannschaften nicht die ganz großen Gegner waren“, sagt Westermann.

Der 25-jährige Schalker steht für eine neue Generation von deutschen Spielern, die Spaß hat an den Herausforderungen der Globalisierung. Neben dem Schalker Trainingsalltag arbeitet Westermann bei einem Kinesiologen an einer Erweiterung seines Sichtfeldes. Außerdem unterzieht er sich speziellen Stressresistenzübungen, bei denen er etwa wie ein Artist mit zwei Bällen jongliert und parallel dazu durch die Luft grätscht. Moderner Innenverteidiger ist, wer sich selbst fortbildet.

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