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Sport: Nationalmannschaft: Jens Nowotny will die Rolle von Lothar Matthäus

Was hatte seine Stirn nur so faltig werden lassen? Die besorgniserregende Leistung im Spiel gegen Rumänien oder aber die Angst vor dem, was jetzt noch kommt?

Was hatte seine Stirn nur so faltig werden lassen? Die besorgniserregende Leistung im Spiel gegen Rumänien oder aber die Angst vor dem, was jetzt noch kommt? England und Portugal. Der Reihe nach.

Jens Nowotny ist der momentan sicherste deutsche Abwehrspieler. Lange hat er es nach dem dürftigen 1:1 gegen Rumänien nicht unter der Dusche ausgehalten. Oberflächlich abgetrocknet stellt sich der Leverkusener den Fragen, die reichlich kommen nach dem missratenen EM-Auftakt seiner Mannschaft. Nowotny spricht ruhig und kontrolliert, aber der Unmut über das, was sich in Lüttich zugetragen hat, ist nicht zu übersehen. Eine Abrechnung sollte es nicht werden und wird es doch. "Wir waren relativ schlecht", sagt der 26-Jährige. Und voller Wagemut legt er nach: "Mit Blick auf das Tschechien-Spiel war das heute ein Rückschritt."

Nun, das hätte Nowotny nicht sagen müssen. So weit waren spätestens nach diesen 90 Minuten alle Zuschauer, eingerechnet die 17 Millionen vor den Fernsehern. Doch irgendwie will er straffer gefragt werden. Längst ist in ihm eine für seine Verhältnisse revolutionäre Entscheidung heran gereift: "Nach dem Spiel von heute, da werde ich mich mehr einbringen." Dann korrigiert er sich: "Ich muss mich mehr einbringen." Es nutze doch nichts, "wenn einige Spieler unzufrieden sind, weil Dinge passieren, für die sie nichts können".

Natürlich ist Nowotny nicht so tollkühn, den Namen Matthäus in den Mund zu nehmen. Aber auch das muss er nicht. "Wir müssen etwas verändern." Nowotny hat den Finger gehoben. Er will Verantwortung übernehmen.

Noch bis vor dem Spiel sah sich der Teamchef Erich Ribbeck mit dem loyalen Nowotny einig. Wie wenn sie eine gemeinsame Sprachregelung eingeübt hätten, wiegelten sie ab, wenn immer es darum ging, den Leverkusener als neuen Abwehrchef ins Gespräch zu bringen. Nowotny selbst bezeichnete sich stets "als Alternative", wenn Matthäus, Ramelow und Jeremies ausfielen. Doch plötzlich strebt die Rolle des Matthäus-Stellvertreters unaufhaltsam auf ihn zu. Kenner halten ihn längst für geeignet, Befehle zu geben, die Abwehr zu organisieren, so wie er es in Leverkusen tut. "Es ist einfacher und bequemer, Befehlsempfänger zu sein", sagte Nowotny noch 48 Stunden vor dem Spiel. "Aber wenn ich auf einer Position spiele, auf der man Befehle geben muss, werde ich das tun müssen", sagte er nach dem Spiel.

Eine ungewöhnlich Wandlung des jungen Mannes, der sich mal kokett als den "uninteressantesten Fußballers Deutschlands" bezeichnete und seinen Führungsanspruch weit zurückschraubte. Vor allem dann, wenn ihn mal wieder viele für den besseren Matthäus hielten.

Aber da auch der Teamchef nicht mit geschlossenen Augen auf der Bank gesessen haben dürfte, wird ihm aufgefallen sei, dass Nowotny in der zweiten Halbzeit dominanter in der zentralen Defensive stand als Matthäus. "Ich kann nur sagen, was er sagt", sagte Ribbeck und verwies auf die Rolle, die Nowotny vor dem Spiel gegen Rumänien gab. Der Teamchef verglich diesen Zustand gar mit einem "Rennen gegen eine Wand". 30 von 34 Spielen für Leverkusen habe Nowotny als Manndecker gespielt. "Sein Trainer und sein Manager haben mir gesagt, dass er stark ist, wenn er sich an einem Gegenspieler orientieren kann."

Als Teamchef müsse er jetzt sehen, "wer, warum und wo nachgelassen hat, und ob ich das mit Auswechslungen oder einem anderen taktischen Verhalten kompensieren kann." Die Falten werden wohl noch zunehmen, aber auf einer anderen Stirn als auf der von Jens Nowotny.

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