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© dpa

Nationalmannschaft: Mehr Auswahl und mehr Ärger

Bundestrainer Joachim Löw wehrt sich dagegen, dass sich die Liga in Belange der Nationalelf einmischt: „Wir wollen nicht von Bundesligaspieltag zu Bundesligaspieltag getrieben werden."

Joachim Löw steht im Ruf, ein sehr umgänglicher Mensch zu sein, das liegt wohl auch daran, dass er selbst scharfe Kritik in moderatem Ton vorzutragen pflegt. Am gestrigen Dienstag nun ist der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft regelrecht aus seiner Haut gefahren. Was in seinen Kollegen Louis van Gaal gefahren sei, könne er beim besten Willen nicht verstehen. Eine Unverfrorenheit sei es, Miroslav Klose nicht spielen zu lassen. Ein Weltklassestürmer wie Klose müsse selbstverständlich auch bei den Bayern Stammspieler sein.

Natürlich hat Joachim Löw das alles nicht gesagt. So etwas gehört sich nicht. „Bei uns ist es so, dass wir alle Personalentscheidungen der Vereine absolut respektieren“, sagt Löw. „Diesen Respekt erwarten wir uns von den Vereinen genauso.“ Für Löws Verhältnisse ist das schon eine ziemlich klare Ansage. Sie belegt, wie sehr er sich über die permanenten Einmischungen in sein Ressort ärgert. „Es ist ja legitim, dass die Vereine ihre Spieler nach vorne bringen wollen“, sagt Löw. „Die Frage ist, auf welchem Weg sie das tun.“

Den Bundestrainer stört vor allem der fordernde Ton, in dem der Unmut inzwischen vorgetragen wird. Vor jedem Länderspiel, unmittelbar nach der Nominierung seines Kaders, melden sich die Enttäuschten (oder ihre legitimierten Vertreter) zu Wort und ziehen den Sachverstand des Bundestrainers in Zweifel: Warum wird Tim Wiese dauernd übergangen? Wieso sagt Löw nicht offen, dass er Torsten Frings loswerden will, anstatt ihn peu à peu aus dem Kader zu ekeln? Was muss Stefan Kießling noch tun, damit er eine echte Chance in der Nationalmannschaft bekommt?

„Wir wissen, dass er in einer guten Form ist“, sagt Löw über den Leverkusener, der in den ersten vier Bundesligaspielen vier Tore erzielt hat. „Das freut uns absolut.“ Auswirkungen hat die gute Form vorerst allerdings nicht. Kießling ist aktuell wohl der größte Härtefall des deutschen Fußballs – vor allem wenn man sich die vier Angreifer ansieht, die Löw für die beiden Länderspiele gegen Südafrika (Samstag) und Aserbaidschan (am kommenden Mittwoch) nominiert hat. Allein Mario Gomez hat in dieser Saison überhaupt getroffen, zwei Tore hat er für die Bayern erzielt. Die anderen: Lukas Podolski – null Tore, Cacau – null Tore, Miroslav Klose – null Tore und dazu bei den Bayern inzwischen nach pessimistischer Zählung nur noch irgendwas zwischen Stürmer Nummer vier und Nummer sechs. Löw findet solche Szenarien übertrieben, für ihn ist es „eine normale Rotation“, wenn Klose einmal auf die Bank muss. „Ich bin mir sicher, dass die Bayern auf seine Qualität nicht verzichten wollen.“

So viel Nachsicht erfährt der Bundestrainer nicht, wenn er statt Torsten Frings Thomas Hitzlsperger im defensiven Mittelfeld spielen lässt oder beim Freundschaftsspiel gegen Südafrika René Adler anstelle von Tim Wiese ins Tor darf. „Natürlich spielt auch die aktuelle Verfassung eine Rolle“, sagt Löw. „Genauso wichtig ist aber auch ein Gesamtbild: Wir haben klare Vorstellungen und einen ganz klaren Plan.“ Teil dieses Plans ist es, den Konkurrenzkampf aufrechtzuerhalten, nicht nur um den Platz im Tor.

„Wir wollen nicht von Bundesligaspieltag zu Bundesligaspieltag getrieben werden“, sagt Joachim Löw. Die Kritik an seinen Personalentscheidungen hält er für stark überzogen: „Es ist absurd, wenn man uns vorwirft, dass wir nicht nach dem Leistungsprinzip nominieren, sondern nach Vereinszugehörigkeit oder Sympathie.“ Inzwischen hat sich vor allem die Ansicht verselbstständigt, dass der Bundestrainer sich mit Vorliebe bei Klubs in der Nähe seines Wohnorts Freiburg bediene. Verlässlich belegen lässt sich das nicht. Von den dreiundzwanzig nominierten Spielern für den anstehenden Doppelspieltag stammen nur neun von Vereinen südlich der Mainlinie.

So sehr die ganze Aufregung den Bundestrainer auch stören mag – sie ist zugleich Ausdruck einer erfreulichen Veränderung. „Die Auswahl insgesamt ist größer geworden“, sagt Joachim Löw, „und somit auch die Wahlmöglichkeit des Bundestrainers.“ Die Wahrscheinlichkeit, sich Ärger einzuhandeln, allerdings auch.

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