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Sport: Nationalmannschaft: Nur die Krawatten fehlen

"Jetzt ist Völlerzeit". Mit diesen Worten wollte Pressechef Wolfgang Niersbach eine neue Ära der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ankündigen.

"Jetzt ist Völlerzeit". Mit diesen Worten wollte Pressechef Wolfgang Niersbach eine neue Ära der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ankündigen. Doch der neue Teamchef Rudi Völler konnte außer sich selbst und seinem Helfer Michael Skibbe bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der Frankfurter Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nichts Neues bieten. Das Aufgebot für das erste Länderspiel nach dem EM-Debakel am 16. August in Hannover gegen Spanien ist mit dem Kader der Europameisterschaft nahezu identisch. Es klang wie eine Entschuldigung, als Rudi Völler bedauerte, den Medien "nicht viel Überraschendes" bieten zu können.

Nur dieses: Unter Völlers Vorgänger Erich Ribbeck herrschte im Kreise des Nationalteams Krawattenzwang, nun saß die neue Führungsriege in offenen Hemden am Podium. Niersbach und Hannes Löhr hatten ihre Schlipse vor der Pressekonferenz noch schnell abgezogen. Nur Horst Hrubesch, der Trainer des A2-Nationalteams, wahrte den Ribbeck-Stil. Völler forderte: "Jeder Spieler muss uns das Gefühl geben, dass für ihn die Nationalmannschaft etwas Besonderes ist. Sonst hat er hier nichts zu suchen." Dies war die bemerkenswerteste Botschaft des einst so vorbildlichen Mittelstürmers in seiner halbstündigen Pressekonferenz.

15 EM-Versager sind noch im 20-Mann-Kader, darunter kein Spieler, der zum ersten Mal in den Kader berufen wurde. Wären Oliver Bierhoff und Christian Ziege nicht verletzt und hätte Markus Babbel nicht freiwillig eine Auszeit genommen, wären es sogar 18 EM-Spieler. Die weiteren fünf Akteure sind lediglich Rückkehrer: Frank Baumann, Stefan Beinlich, Jörg Heinrich, Oliver Neuville und Alexander Zickler haben zwischen zwei- und dreißigmal für Deutschland gespielt.

Wie aber soll ein Neuaufbau ohne neue Spieler funktionieren? "Es ist nun einmal das Beste, was wir haben", bemerkte Völler. Der Teamchef will allerdings künftig auf einige Spieler der A2-Nationalmannschaft setzen. Diese spielt jedoch einen Tag vor der A-Nationalmannschaft gegen Portugal. Für die Talente sei das bedeutender als in Hannover nur zuzuschauen, fand Völler. Der Interims-Teamchef bat auch um Geduld: "Wir werden nicht von heute auf morgen brasilianischen Fußball hinzaubern."

Beim Neuaufbau der Nationalmannschaft spielen auch vier Fußballer von Hertha BSC eine wichtige Rolle. Allerdings waren die Berufungen von Sebastian Deisler, Stefan Beinlich und Marko Rehmer allgemein erwartet worden, Dariusz Wosz ist der vierte Berliner im Bunde. Bei der EM hatten Deisler und Rehmer mitgewirkt, Wosz war lediglich Ersatzmann. In Michael Hartmann und Andreas Schmidt stehen weitere Berliner im Aufgebot der "A2"-Nationalmannschaft. Beinlich freute sich über seine Nominierung: "Ich hatte es gehofft, doch das hatte ich auch vor der Europameisterschaft - und wurde dann bitter enttäuscht. Diesmal haben offenbar meine Leistungen gestimmt" Der Mittelfeldspieler, der in dieser Saison von Bayer Leverkusen zu Hertha kam, war zu seiner großen Enttäuschung von Erich Ribbeck für die Europameisterschaft verschmäht worden. "Ich habe immer noch vor, mich bei Herrn Ribbeck zu erkundigen", sagte Beinlich, der bislang vier Länderspiele bestritten hat.

Während Deisler und wohl auch Rehmer gesetzt waren, stand hinter Dariusz Wosz ein Fragezeichen. "Nachdem in den letzten Tagen in Boulevardzeitungen viel Negatives über mich gestanden hatte, war ich ins Grübeln gekommen. Umso glücklicher bin ich jetzt", erklärte Wosz. Völler habe wohl seine starken Leistungen in den Vorbereitungsspielen, darunter auch im Ligapokal, honoriert. Erwartungsgemäß keine Berücksichtigung fand Michael Preetz. "Ich hatte auch gar nicht mit einer Berufung gerechnet. In der nächsten Woche werde ich 33, da war meine Perspektive von vornherein schlecht. Meine ganze Konzentration gilt Hertha."

Klaus Rocca, Hartmut Scherzer

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