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Kiessling

© dpa

Nationalmannschaft: Stefan Kießling: Vorsätzlich gepiesackt

Bundestrainer Joachim Löw belohnt Stefan Kießlings Geduld mit einer Nominierung im Testspiel am Mittwoch gegen die Elfenbeinküste.

Seitdem Oliver Bierhoff für die Außendarstellung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verantwortlich ist, wird das Nationalspielerdasein gerne ein wenig überhöht. Von der Elite ist inzwischen oft die Rede, und wer zu diesem elitären Kreis gehören will, muss mehr mitbringen als nur herausragende fußballerische Fähigkeiten. Stefan Kießling hat gerade eine eingehende Charakterprüfung hinter sich gebracht, und man kann sagen, dass er den Test auf beeindruckende Weise bestanden hat. „Er hat nie die Ruhe verloren, hat sich nicht locken lassen“, sagt Bierhoff. Zur Belohnung darf Kießling heute im Testspiel gegen die Elfenbeinküste zum ersten Mal von Anfang an für die Nationalmannschaft spielen.

Im Grunde müsste das eine Selbstverständlichkeit sein: dass der derzeit erfolgreichste Stürmer der derzeit erfolgreichsten Mannschaft der Bundesliga auch für die Besten des Landes auflaufen darf; bei Kießling aber ist es längst eine sensationelle Nachricht. Bundestrainer Joachim Löw hat den Leverkusener derart ausdauernd ignoriert, dass man dahinter schon eine Ablehnung vermuten konnte. Kießling traf und traf, aber der Bundestrainer nominierte lieber Miroslav Klose, Mario Gomez, Lukas Podolski und Cacau. Alle vier zusammen kommen mit ihren fünf Saisontoren nicht mal annähernd an Kießlings Bilanz mit acht Treffern aus zwölf Spielen heran.

Dass Löw den 25-Jährigen fortwährend übergangen hat, mag wie ein vorsätzliches Piesacken gewirkt haben, als Versuch, ihn herauszufordern. Bei Tim Borowski haben Löw und sein Vorgänger Jürgen Klinsmann es in der Vergangenheit ähnlich gehalten. Weil sie wussten, dass Borowski zum Phlegma neigte und vieles zu leicht nahm, haben sie ihn durch ihre Nicht-Beachtung bewusst provoziert. Bei Kießling aber waren es wohl eher Zweifel an der fußballerischen Eignung für die Nationalmannschaft. „Du verlierst zu viele Bälle“, hat Löw ihm gesagt. Inzwischen aber hat der Bundestrainer „eine eindeutige Leistungsverbesserung“ registriert. Er habe die Nominierung verdient, „weil er in Leverkusen herausragende Leistungen gezeigt hat.“

Kießling ist ein Arbeitstier, in jedem Spiel läuft er bis zur Erschöpfung. Nicht nur in seinem ausgeprägten Bewegungsdrang, auch in der manchmal mangelhaften Ballbehandlung hat er viele an den Stürmer Jürgen Klinsmann erinnert. Der Wunsch, sich stetig zu verbessern, ist wohl eine weitere Gemeinsamkeit. „Sein Weg war der richtige“, sagt Oliver Bierhoff über Kießling. „Er hat hart und kontinuierlich an sich gearbeitet.“ Vor allem vor dem Tor wirkt er inzwischen ruhiger. „Ich bin ein bisschen reifer geworden“, sagt Kießling. Schon vor der WM 2006 war ihm, der damals noch für den 1. FC Nürnberg spielte, eine Außenseiterchance auf eine Nominierung in den WM-Kader eingeräumt worden. Dafür hat er erstaunlich lange gebraucht, um in der Nationalmannschaft anzukommen. Zwei Länderspiele hat er bestritten, beide Male wurde er eingewechselt, beide Male verloren die Deutschen. „Das ist nichts, womit ich angeben kann“, sagt Kießling.

Es ist in der Tat bisher eine ziemlich seltsame Karriere gewesen. Sein Debüt gab Kießling im März 2007, als Joachim Löw in Duisburg eine Art Team 2010 aufs Feld schickte, das gegen eine dänische Männermannschaft nur bedingt konkurrenzfähig war. Sechs Neulinge bot der Bundestrainer auf, darunter auch Robert Enke, Simon Rolfes und Patrick Helmes, am Ende hieß es 0:1. Kießling durfte eine Halbzeit spielen – und musste zwei Jahre auf den nächsten Einsatz warten. Wieder verloren die Deutschen 0:1, diesmal gegen Norwegen, und diesmal wurde Kießling erst 22 Minuten vor Schluss eingewechselt.

Für ihn ist die Rückkehr ins Nationalteam mehr als ein Neuanfang; es ist wohl überhaupt erst der Anfang. Dennoch sagt Stefan Kießling: „Die beiden Spiele, egal wie sie gelaufen sind, möchte ich nicht missen, die sind was Großes gewesen.“ Es geht allerdings noch deutlich größer.

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