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Mahlzeit. Bei solchen Gerichten läuft den Nationalspielern das Wasser im Mund zusammen.

© Quade - Fotolia

Nationalmannschaftskoch Holger Stromberg: "Die Spieler sind verrückt nach Hausmannskost"

Holger Stromberg, Koch der Nationalmannschaft, spricht im Interview über das Lieblingsessen der Fußballspieler, Alternativen zu Nudeln und seinen Assistenten Mario Gomez.

Herr Stromberg, mit wie vielen LKW-Ladungen sind Sie ins EM-Quartier in Danzig gekommen, um die Küche aufzufüllen?

Von LKW-Ladungen brauchen wir gar nicht zu sprechen. Es sind maximal zwei Europaletten. In der einen sind Gewürze, Getreidesorten und Öle – Zutaten, die ich immer gerne dabei habe. Mein Malkasten, wenn Sie so wollen. In der zweiten Palette sind verschiedene Müslisorten oder auch Dinkelcracker.

Sollen unsere Nationalspieler bei Müsli und Cracker darben?

Natürlich nicht. Der komplette Speiseplan wird mit Produkten aus Danzig und Umgebung aufgefüllt. Seit ich 2007 für die Nationalmannschaft koche, mache ich das immer so, dass wir Fleisch, Fisch, Gemüse und andere Produkte vor Ort einkaufen. Wir wollen ja gute Gäste sein, da käme es nicht so gut an, wenn wir nur mit Produkten aus Deutschland anrückten.

Aber der Speiseplan ist doch typisch deutsch bis zum Abreisetag bis ins kleinste Detail aufgestellt, oder?

Da muss ich Sie enttäuschen. Wir planen relativ kurzfristig. Schließlich will ich mir und uns eine gewisse Flexibilität bewahren.

Wie sieht die aus?

Ich werde häufig unterwegs sein, um möglichst frische und unbelastete Lebensmittel einzukaufen. Danzig ist ja eine Hafenstadt. Wenn da etwa bei unseren Trainingslagern auf Sardinien oder in Südfrankreich dann am Dienstag ein Fischerboot frischen Oktopus bringt, kann es sehr gut sein, dass am Mittwoch Oktopus auf dem Speiseplan steht. Außerdem informiere ich mich vor Ort bei den Köchen und Küchenhelfern des Hotels, frage, was sie so favorisieren und was sie zu Hause essen, welche Speisen sie unseren Jungs empfehlen können.

Was bekommen denn die Spieler?

Es gibt jeden Tag im Quartier eine reichhaltige Salatbar. Dazu Vorspeisen wie klare polnische Suppen und die traditionellen Pierogi, Teigtaschen mit Kohl oder Hackfleisch gefüllt. Bei den Hauptspeisen stehen unter anderem Zanderfilet mit polnischem Spargel, ganzes Hühnchen mit Rosmarin-Kartoffeln oder weißer gegrillter Heilbutt mit Mandeln und Zitronen bereit.

Die Reaktionen zum deutschen Auftaktsieg in unserer Bildergalerie:

Und zum Nachtisch?

Mal eine Créme brulée, verschiedene Eissorten, Crêpes und eine Auswahl der polnischen Teigspezialitäten. Aber nicht zu deftig, ich bekoche ja Fußballer und keine Hochzeitsgesellschaft.

Frischer Fisch, Hühnchen, Spargel – Herr Stromberg, wir vermissen den Klassiker. Wo sind die Nudeln?

Die sind längst in die Abteilung Beilage abgerutscht. Natürlich sind Nudeln täglicher Bestandteil unseres Speiseplans. Fußballer bekommen schon von Kindheit an Pasta, Pasta, Pasta. Daher freuen sie sich über neue Alternativen. Den meisten Fußballern hängen Nudeln zum Hals raus, ich muss also geschickt sein und sie in die Gerichte einbauen. Allerdings ist für die tägliche Zufuhr an Kohlenhydraten auch ein Graupensalat oder Couscous wunderbar geeignet.

Gut gegessen? Die deutschen Spieler in der Einzelkritik.

Mit Mesut Özil, Sami Khedira und Ilkay Gündogan stehen drei Spieler muslimischen Glaubens im Kader. Inwieweit berücksichtigen Sie das bei der Wahl des nächsten Menüs?

Da unsere Gerichte ohnehin zumeist ohne Schweinefleisch zubereitet werden, stellt sich die Frage eigentlich gar nicht. Vielleicht gibt es mal Nudeln mit Speck, aber das ist die Ausnahme. Und wenn, dann habe ich für die drei genügend Auswahl am Büfett. Manchen Spielern ist das sogar manchmal zu viel.

Wie meinen Sie das?

Die stehen vor dem Buffet und rufen: „Mensch, Holger, da stehen drei meiner Leibgerichte, wie soll ich die alle essen?“

"Die Spieler sehen das Essen nicht nur als reine Nahrungsaufnahme"

Der Mann tischt auf. Sternekoch Holger Stromberg umsorgt seit 2007 die Nationalmannschaft.
Der Mann tischt auf. Sternekoch Holger Stromberg umsorgt seit 2007 die Nationalmannschaft.

© dapd

Was sind denn die Lieblingsessen der deutschen Nationalmannschaft?

Das ist schwer zu sagen. Es sind ja nicht nur die Spieler, die ich bekoche, sondern auch Trainer, Offizielle, Teammitglieder. Insgesamt 65 Personen! Da kann man es nicht immer allen recht machen. Was ich bemerkt habe in den vergangenen Jahren: Die Spieler sind verrückt nach guter deutscher Hausmannskost, wenn es die sporadisch mal gibt. Wenn ich ihnen ganz klassisch Rahmspinat mit Kartoffeln und Rührei hinstelle, sind sie völlig aus dem Häuschen.

Und sonst: Wie viele Gourmets hat Joachim Löw zur Verfügung?

Bis auf wenige Ausnahmen sehen die Spieler das Essen nicht nur als reine Nahrungsaufnahme, sondern haben erstaunlich viel Spaß, etwas Neues auszuprobieren. Die sind wissbegierig, interessiert…

…und jeden Tag sehr hungrig.

So feierten die Fans den Sieg gegen Portugal. Eine Bildergalerie.

Eher weniger. Die Hotelbediensteten sind jedes Mal sehr erstaunt, wie wenig unsere Spieler essen. Wir haben eher die Liebhaber als die Scheunendrescher.

Wenn Sie sich einen Nationalspieler als stellvertretenden Küchenchef auswählen müssten, wer wäre das?

Eigentlich hätte ich Simon Rolfes gesagt, aber er hat es ja leider nicht in den Kader geschafft. Simon war immer extrem an meiner Arbeit interessiert. Da er nicht dabei ist, würde ich Mario Gomez wählen.

Warum?

Als ich neulich das erste Mal Kaninchen servierte, wusste Mario als einziger, wie das schmeckt. Muss an seinem spanischen Vater liegen, in Spanien steht Kaninchen regelmäßig auf der Speisekarte.

Herr Stromberg, kennen Sie die Geschichte von der dänischen Nationalmannschaft, die sich vor dem Finale gegen Deutschland 1992 mit einem gigantischen Einkauf bei McDonalds gestärkt haben soll?

Natürlich.

Undenkbar für die deutsche Mannschaft?

Undenkbar ist gar nichts. Glauben Sie bloß nicht, dass ich als Sternekoch nicht auch ab und zu dort esse. Und auch für die Mannschaft gibt es ab und zu mal Hamburger, mit richtig gutem und frischem Fleisch. Einmal habe ich vor einigen Jahren für die Spieler sogar mal selbst einen Stapel Hamburger in einer Filiale mit dem großen „M“ besorgt.

Bitte?

Ich weiß leider nicht mehr, wann genau das war. Aber wir hatten gerade in Dortmund ein wichtiges Spiel gewonnen, der Bus rollte auf dem Weg zum Flughafen an einer Filiale vorbei. Oliver Bierhoff und ich schauten uns an. Oliver nickte, also sprang ich raus und kam mit ein paar Tüten zurück. Solche Aktionen gehören auch mal dazu, um eine Mannschaft zu begeistern.

Das Gespräch führte Alex Raack.

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