zum Hauptinhalt
Christoph Kramer, 23, hat in dieser Saison 32 Bundesligaspiele für Borussia Mönchengladbach bestritten. Zuvor spielte er zwei Jahre für den VfL Bochum in der Zweiten Liga.

© dpa

Nationalspieler Christoph Kramer: "Mattuschka ist mein Lieblingsspieler"

Mönchengladbachs Christoph Kramer steht überraschend statt Augsburgs André Hahn im erweiterten 27-köpfigen WM-Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Im Interview erklärte er, warum für ihn Torsten Mattuschka ein Lichtblick ist.

Herr Kramer, kennen Sie das Torsten-Mattuschka-Lied?

Ja, klar. (Singt) Torsten Mattuschka, du bist der beste Mann, Torsten Mattuschka, du kannst, was keiner kann, Torsten Mattuschka, hau ihn rein für den Verein.

Respekt!

Na ja, das Lied wird bei Union ja bei jedem Freistoß gesungen. Dem kann man doch gar nicht entgehen.

Im Stadionheft von Borussia Mönchengladbach war zu lesen, dass Torsten Mattuschka vom Zweitligisten Union Berlin Ihr Lieblingsspieler ist. Das ist schon eine ungewöhnliche Wahl.

Er ist jetzt nicht mein Lieblingsspieler in dem Sinne, dass er mein Vorbild ist oder ich mich an seiner Spielweise orientiere.

Sondern?

In der Zweiten Liga ist eigentlich jedes Spiel mehr Krampf als Kampf. Spielerische Elemente sind da die absolute Ausnahme. In diesem Umfeld ist Torsten Mattuschka wirklich ein Lichtblick – weil er auf dem Platz ein Zocker ist.

Was genau schätzen Sie an ihm?

Dass er sich nicht mehr schnell mit dem Ball drehen kann, dass er Schwächen mit dem Tempo allgemein hat – da müssen wir nicht drüber reden. Aber er versteht Fußball unheimlich gut. Wenn ich mir im Fernsehen ein Spiel von Union anschaue, denk’ ich oft: Da muss der Ball jetzt hin. Und wenn Mattuschka am Ball ist, kommt der Ball auch genau dahin. Das siehst du in der Zweiten Liga wirklich selten.

Seit wann hegen Sie Ihre Begeisterung für Mattuschka?

Ich habe zwei Jahre mit dem VfL Bochum in der Zweiten Liga gespielt, da beschäftigt man sich natürlich mit der Zweiten Liga. Ich glaube, in der ersten Saison hat Union immer eine Woche vor uns gegen unseren nächsten Gegner gespielt. Deshalb war es zwangsläufig so, dass ich mir viele Spiele von Union angeschaut habe. Torsten Mattuschka fällt da schon auf. Und ich fand seine Spielweise einfach toll.

Nicht nur in Köpenick populär. Torsten Mattuschka gilt eher als gemütlicher Fußball mit Wurzeln auf dem Bolzplatz. "Er ist ein Zocker", sagt Mönchengladbachs Christoph Kramer.
Nicht nur in Köpenick populär. Torsten Mattuschka gilt eher als gemütlicher Fußball mit Wurzeln auf dem Bolzplatz. "Er ist ein Zocker", sagt Mönchengladbachs Christoph Kramer.

© Imago

Wie ist es, gegen ihn zu spielen?

Schwer. Er ist unheimlich ballsicher, hat auch eine relativ robuste Hüfte. Da ist es fast unmöglich, an den Ball zu kommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihm oft den Ball abgenommen habe. Das war auch ein ausschlaggebender Punkt, dass ich ihn als Spieler richtig geil fand.

Sie gelten als Laufwunder, Mattuschka ist eher der gemütliche Fußballer. Schwärmt man gerade für Spieler, die ganz anders sind als man selbst?

Das weiß ich nicht. Ich finde einfach, dass Mattuschka in dieser Zweiten Liga extrem heraussticht, weil er seine Linie durchzieht. Er probiert immer zu spielen und passt sich nicht dem Zweitligastil an.

Gibt es etwas an seinem Spiel, das Sie gerne hätten?

Mal abgesehen von seinem tollen Schuss – man muss einfach sagen: Wenn er den Ball hat, kommt immer etwas Produktives dabei rum. Er bewegt sich gut in den Räumen – auch wenn er sich nicht schnell in den Räumen bewegt. Aber er steht immer gut. Man spürt bei ihm einfach, er lebt Fußball, und er versteht Fußball. Das ist in der Zweiten Liga ganz selten, dass einer immer richtig steht, dass er ein Gefühl für den Raum hat, dass er weiß, wo er hinlaufen muss, wenn er den Ball hat. Es kommt auf ganz kleine Kleinigkeiten an, und bei Mattuschka stimmen die alle.

Dann müssten Sie eigentlich froh sein, dass Union nicht aufsteigt – weil Mattuschka weiter in der Zweiten Liga glänzen kann.

Ich hätte mich schon gefreut, wenn Union aufgestiegen wäre. Nicht nur wegen Mattuschka. Als Außenstehender finde ich auch den Verein einfach sehr sympathisch. Und ich habe noch guten Kontakt zu Björn Kopplin, mit dem ich in Bochum zusammen gespielt habe.

Es gab ein Spiel zwischen Bochum und Union, da sind Sie eingewechselt worden, als Mattuschka ausgewechselt wurde. Ärgerlich, oder?

So richtig kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß noch, dass ich in der Woche vorher ein bisschen krank war und deshalb erst nach der Pause eingewechselt worden bin. Ich glaube, wir haben 2:0 geführt und 4:2 gewonnen. Union war in Unterzahl, deswegen musste Mattuschka wahrscheinlich raus. Lustigerweise habe ich mein letztes Spiel für Bochum gegen Union gemacht. Ich habe ein Tor erzielt, Mattuschka hat den Ball an die Latte gelupft. Das war auch so ein Moment, da dachte ich: Boah, geiler Spieler! Hinterher haben wir Trikots getauscht.

Was haben Sie mit seinem Trikot gemacht?

Das hängt bei mir im Wohnzimmer an der Wand. Da hängen meine beiden Trikots von Bochum und Gladbach, drei Mal Bayern, Thiago, Ribéry und Martinez, und Mattuschka. Ein Autogramm habe ich auch von ihm.

Weiß Mattuschka eigentlich von Ihrem Faible?

Ich glaube, er hat schon mitgekriegt, dass ich ihn ganz gut finde. Aber da bin ich ja auch nicht der Einzige.

Imponiert er Ihnen auch als Persönlichkeit?

So gut kenne ich ihn nun auch nicht. Wir waren mal zusammen bei einer Dopingkontrolle. Da hast du ja direkt so ein Anfangsgefühl, und das hat bei ihm sofort gestimmt. Mattuschka kam rein und war gleich supernett, superhöflich und supersympathisch – obwohl wir gewonnen hatten. Er ist ein fairer Sportsmann, nie aufbrausend. Das schätze ich sehr.

Als junger Spieler hat Mattuschka bei Energie Cottbus den Sprung zu den Profis nicht geschafft, später hat er sich mit Union von der Vierten in die Zweite Liga hochgearbeitet. Spielt das für Ihr Bild auch eine Rolle?

Das wusste ich gar nicht. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass er in der Jugend ein bisschen flapsig war und sich nicht immer so angestrengt hat. Macht ihn aber auch nicht unsympathisch. Die besten Profis sind oft die, die nicht profigerecht leben. Dafür kann Mattuschka Dinge, die du nur auf dem Bolzplatz lernst. Das ist das, was ich so gerne mag.

Er ist jetzt 33. Fürchten Sie, dass seine Zeit als Fußballer bald zu Ende sein könnte?

Wieso? Wenn er das Niveau dieser Saison hält. Wie viele Tore hat er gemacht, wie viele Assists?

Zwölf Tore, elf Assists.

Sehen Sie. Aber unabhängig von der Statistik. Mattuschka ist immer noch wichtig für Union. Die Mitspieler suchen ihn, er hat viele Ballkontakte, er lenkt ein bisschen das Spiel. Bei Union hast du diese ganzen wirren Läufer, die dauernd powern und Gas geben, aber du hast keinen, der mal auf den Ball treten kann. Außer Mattuschka.

Es ist bekannt, dass Sie gerne auf der Playstation Fifa 14 spielen. Haben Sie Mattuschka eigentlich in Ihrer Mannschaft?

Ich habe ihn tatsächlich einmal zu Gladbach geholt. Da hat er sogar vier Kurzeinsätze gehabt und ein Tor gemacht.

Elfmeter oder Freistoß?

Freistoß. Dafür habe ich ihn extra eingewechselt.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false