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Sport: Nervöser Krisenmanager

Nach der Pokalniederlage in Braunschweig kritisiert Herthas Trainer Götz die Einstellung der Spieler

Berlin - Fredi Bobic war vor dem Training noch richtig ungehalten. Schon von weitem drohte er einem Kameramann damit, ihm einen Ball an den Kopf zu schießen. Nachher hatte sich der Stürmer von Hertha BSC wieder beruhigt, dafür wirkte Falko Götz nervös. Zum ersten Mal, seit er wieder Trainer von Hertha ist. Denn er steht jetzt vor einer schweren Belastungsprobe.

„Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Ich habe genauso mit verloren wie die Mannschaft“, sagte Falko Götz am Tag nach der 2:3-Niederlage beim Regionalligisten Eintracht Braunschweig. Hertha hatte in der zweiten Runde des DFB-Pokals mit einer unerwarteten Aufstellung gespielt. Und unerwartet schlecht. In Braunschweig hatte auch das nicht mehr funktioniert, was in den fünf Bundesligaspielen der Saison bisher kein Problem der Berliner war: das Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft. „Das war wirklich peinlich. Wir hätten sieben Stück kriegen können“, sagte Verteidiger Josip Simunic.

Hertha war „kollektiv desorientiert“, fand Manager Dieter Honeß. Die Mannschaft nahm den Pokalkampf gegen die Braunschweiger und ihr enthusiastisches Publikum nur ansatzweise an. Falko Götz hatte im Vergleich zum Bundesligaspiel gegen den VfB Stuttgart vom vergangenen Sonntag (0:) die halbe Mannschaft ausgewechselt. Der Brasilianer Gilberto stand nicht im Kader, Bobic, Thorben Marx, Niko Kovac und Dick van Burik fanden sich auf der Bank wieder. Für van Burik kam der in der Bundesliga noch bis zum 26. Oktober gesperrte Marko Rehmer in der Innenverteidigung zum Einsatz. Rehmer hatte am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison vergessen, eine meldepflichtige Substanz anzugeben, mit der ihn sein Hausarzt behandelt hatte. Im DFB-Pokal sollte Rehmer nach starken Trainingsleistungen nun Spielpraxis erhalten. Rehmer spielte erschreckend schwach. „Er ist ein international erfahrener Spieler. Wenn man sich unsere Aufstellung anguckt, ist von den Namen her kein Qualitätsverlust zum Spiel vorher zu erkennen“, sagt Falko Götz, der nicht zum ersten Mal in dieser Saison für seine Aufstellung kritisiert wird. Nach dem 1:1 im Heimspiel gegen den Aufsteiger Mainz war ihm eine zu defensive Taktik vorgeworfen worden.

Die meisten der Spieler, denen Götz in Braunschweig sein Vertrauen gab, enttäuschten. „Ich habe die Mannschaft aufgestellt, von der ich überzeugt war“, sagte Götz. Und gab die Schuld für die desolate Leistung dann doch vor allem den Spielern. „Das ist eine Charakterfrage, vor allem aber eine der aktuellen Einstellung“, sagte Götz. „Mit welcher Bereitschaft ein Spieler auf den Platz geht, entscheidet er selbst.“

Die überraschende Rotation des Trainers lässt darauf schließen, dass es Götz in den fünf sieglosen Bundesligaspielen doch nicht nur an den von ihm monierten „Kleinigkeiten und der nötigen Brutalität vor dem Tor“ gefehlt hat. Götz Aussage, dass Hertha „viele gleichwertige Spieler“ habe, kann man auch so interpretieren, dass er seine Stammformation noch nicht gefunden hat. Mittelfeldspieler Thorben Marx, der in Braunschweig nur eingewechselt wurde, sagte über die Situation nach der Niederlage: „Jetzt ist das Selbstvertrauen erst einmal geringer geworden.“

Der Brasilianer Marcelinho hatte in Braunschweig nur 25 starke Minuten, in denen er die Mannschaft zum Sieg führen wollte. Dass neben Simunic der 20-jährige Christian Müller in seinem zweiten Einsatz bei den Profis bester Feldspieler bei Hertha war, verdeutlicht das bestehende Vakuum. Hertha hat keinen so genannten Führungsspieler, der die Mannschaft in schwierigen Situationen zusammenhält. Der verletzte Kapitän Arne Friedrich steigt – ebenso wie Neuzugang Yildiray Bastürk – erst wieder in der kommenden Woche in das Mannschaftstraining ein.

Ein funktionierendes Team ist auf eine solche Führungspersönlichkeit auf dem Platz nicht angewiesen. Doch wenn ein nicht so gut funktionierendes Team keinen Chef hat, wächst die Bedeutung des Trainers. Götz, der 2002 Cheftrainer wurde, als Hertha nach der Trennung von Jürgen Röber eine Übergangslösung bis zum Dienstantritt von Huub Stevens suchte, kennt in Berlin nur den Erfolg. Damals führte er Hertha mit einer Siegesserie in den Uefa-Cup.

Dieter Hoeneß hat vor der Saison gesagt, dass es vielleicht gut war, dass Götz bei seiner vorherigen Station 1860 München gescheitert war. „Er hat dort gelernt, auch mit einer Krise umzugehen“, sagte der Manager. Diese Zeit habe ihm vielleicht sogar besser getan, als wenn er Erfolg gehabt hätte. Ob das stimmt, muss Götz jetzt früher zeigen als gedacht.

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