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Sport: Neu im Ausdruck

Eiskunstläufer Stefan Lindemann hat viel gelernt – vor allem, dass WM-Bronze kaum Sponsoren lockt

Ilona Schindler lehnt sich zurück und tut ein bisschen geheimnisvoll. „Die Halle steht in der Nähe von Boston, mehr kann ich nicht sagen“, verrät sie dann. Irgendwo in der Nähe von Boston haben sie also trainiert im Sommer, der Eiskunstläufer Stefan Lindemann und seine Betreuerin Ilona Schindler. Die Star-Choreographin Lea Ann Miller arbeitet dort, die Frau, die auch den chinesischen Paarlauf-Weltmeistern Ausdruck verleiht. Miller will in Ruhe wirken, deshalb sollen möglichst wenige Leute wissen, wo sie arbeitet. „Selbst Insider des Eiskunstlaufens wissen teilweise nicht, wo die Halle liegt“, sagt Schindler.

Sie wüsste es ja selbst bis heute nicht, wenn Lindemann nicht im März 2004 sensationell WM-Dritter geworden wäre. Und wenn nicht Katarina Witt, die Eiskunstlauf-Legende, den kleinen Erfurter der Star-Choreographin Miller für einen Lehrgang empfohlen hätte. Rund 5000 Dollar Gage kassierte Miller für sieben Tage Training, den ganzen US-Trip finanzierte die Deutsche Eislauf-Union (DEU). Lindemann lernte von Miller einiges. „Allein schon, wie ich übers Eis gleite, habe ich jetzt verändert“, sagt er. Gestern fand bei der deutschen Meisterschaft in Oberstdorf das Kurzprogramm der Herren statt, dort zeigte Lindemann seine neue Ausdrucksstärke.

Ein Termin bei Lea Ann Miller, Fürsprache von Katarina Witt, kostenlose US-Reise – so etwas gehört jetzt zum neuen Alltag des WM-Dritten Stefan Lindemann. Das ist der Lohn für Bronze. Er ist jetzt wieder wer. „Der war doch völlig in der Versenkung verschwunden“, sagt Schindler. Vor der WM hatte er keine Sponsoren und zwei Auftritte bei Schauveranstaltungen. Seit Dortmund hat ihn Katarina Witt zweimal zu ihrer Show eingeladen, nach Krefeld und nach Antwerpen. „Das ist schon ein Ritterschlag“, sagt Schindler. „Früher bin ich beim Schaulauf am Anfang gestartet, jetzt trete ich zum Schluss auf“, sagt Lindemann. Und seine Gage ist gestiegen. 1000 Autogrammkarten hat er nach Dortmund drucken lassen, fast alle waren schnell weg. Aus den USA schrieb ihm ein Fan, aus Irland erhielt er eine Mail eines Anhängers, in Talkshows durfte er reden, Zeitungen schrieben Portraits. 2000 Junioren-Weltmeister, danach verletzt, außer Form, vergessen, 2003 frustriert, Gedanken an ein Karriere-Ende. Dann Dortmund, die Sensation.

Aber die Erfolgsgeschichte des Stefan Lindemann hat enge Grenzen. Die große PR-Figur Lindemann gibt es nicht. „Ich muss sagen, ich habe schon mit etwas mehr Sponsoren gerechnet“, sagt der 24-Jährige. Es kam aber keiner, kein einziger. Nur ein Erfurter Autohaus stellte ihm einen Mini-Cooper vor die Tür, er darf jetzt kostenlos zu seinen Terminen und zum Training fahren. Ein paar Manager haben angerufen, aber ein Vertrag kam nicht zustande. Die Welt des Stefan Lindemann ist überschaubar geblieben. Ein Auftritt auf der Eisfläche beim Weihnachtsmarkt Weimar, eine Autogrammstunde in Erfurt, eine Einladung zu einer Veranstaltung des Mitteldeutschen Rundfunks. Bei der Wahl zu „Thüringens Sportler 2004“ belegte er Platz zwei. Sieger wurde Rene Wolff, Bahnradfahrer und Olympiasieger. „Es macht mir nicht viel aus“, sagt Lindemann. „Eiskunstlauf ist halt eine Randsportart.“

Ilona Schindler, die Trainerin, hat sowieso nichts anderes erwartet. „Er ist nur WM-Dritter, und es geht vielen Betrieben schlecht.“ Und so ein Termin bei Lea Ann Miller, das ist doch auch etwas. „So was erwähnt man ja ganz gerne.“

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