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Sport: Neu unter Frauen

Jamilon Mülders soll die Hockey-Nationalmannschaft als Bundestrainer zurück in die Weltspitze führen.

Berlin - Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Das ist dem neuen Hockey-Bundestrainer Jamilon Mülders am Ende seines ersten Lehrgangs mit der Frauen-Nationalmannschaft noch einmal klar geworden. Am letzten Abend standen vierzig Schuhe von vierzig Spielerinnen vor seiner Tür, die er dann mit Schokolade und Lebkuchen befüllt hat. „Bei den Jungs hätte ich das sicher nicht gemacht“, sagt Mülders – und lacht. Wenn ein Trainer wie er von der U 21 der Männer zu den Frauen wechselt, ist das ein schönes Medienthema. Mülders interessiert das nicht. „Du brauchst nur den normalen Menschenverstand, um zu wissen, dass du die Mädels anders ansprechen musst“, sagt er. „Die Grundsätze erheben sich über das Geschlecht.“

Mülders, 36 Jahre alt, Sohn einer Deutschen und eines Äthiopiers, ist als Trainer ein Mann mit Grundsätzen. Das hängt vielleicht auch mit seiner Prägung durch Bernhard Peters zusammen. Der frühere Männer-Bundestrainer und heutige Nachwuchskoordinator beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim hat Mülders schon als Kind trainiert, er ist 2002 mit ihm als Spieler Weltmeister geworden – und bis heute pflegen beide ein enges, inzwischen freundschaftliches Verhältnis. „Sein Einfluss ist enorm wichtig“, sagt Mülders. „Von ihm habe ich die grundsätzliche Idee, wie man als Trainer arbeitet.“

Dass der neue Bundestrainer in der Lage ist, seine Aufgabe strukturiert und zielgerichtet anzugehen, das hat er längst bewiesen. Mit Mitte 20 hat Mülders als Sportlicher Leiter bei Blau-Weiß Berlin angefangen, die Hockeyabteilung aufzubauen; seit 2009 trainiert er die U 21 des Deutschen Hockey-Bundes, und nebenher hat er im Juni als Co-Trainer mit den Frauen des Berliner HC den Europapokal gewonnen. Dass Mülders nun als Nachfolger von Michael Behrmann die Frauen-Nationalmannschaft übernimmt, ist eine fast logische Fortsetzung seines bisherigen Berufswegs.

Der Lehrgang vorige Woche war eine Art Orientierungsphase – für beide Seiten. Vierzig Spielerinnen hatte Mülders nominiert, neben alten Bekannten auch viele neue Gesichter. „Zwei, drei kannte ich selbst nicht“, sagt er. „Aber es hat sich gelohnt.“ Mülders hat der Mannschaft seine Ideen vorgestellt. Transparenz ist ihm wichtig. Die Spielerinnen sollen wissen, wie er tickt, wie er Leistung bewertet, nach welchen Kriterien er nominiert. „Am Ende des Lehrgangs sollten alle sagen können: ,Da will ich dabei sein.’ Oder: ,Vielen Dank, das ist nicht meine Welt.’“ Hat das jemand getan? „Natürlich nicht.“

Mülders’ neue Aufgabe stellt sich von außen schwieriger dar als aus der Binnensicht. Bei Olympia sind die Frauen Siebte geworden, in der Weltrangliste belegen sie nur noch Platz fünf. Skeptiker fürchten sogar, dass die Deutschen den Platz in der Weltspitze dauerhaft verlieren könnten. Mülders gehört nicht dazu. Aus dem Olympiakader haben nur vier Spielerinnen (Fanny Rinne, Natascha Keller, Christina Reynolds und Janine Beermann) ihren Rücktritt erklärt; dafür kehrt Tina Bachmann zurück, vielleicht auch Anke Kühne. „Wir haben ein paar alte Gestandene dabei und ein paar junge Freche“, sagt Mülders. „Das ist eine Gruppe, aus der man was entwickeln kann.“

Die Änderungen ergeben sich fast automatisch aus der Analyse des Ist-Zustands. Bei Olympia sind die Deutschen ohne Selbstvertrauen und mit wenig Struktur aufgetreten. „Ich will einfaches, selbstbewusstes, freches Hockey spielen“, sagt Mülders. „Der Fokus muss auf den eigenen Stärken liegen, nicht darauf: Was können die anderen?“ Der Bundestrainer bekennt sich dazu, dass er fordernd ist, manchmal auch überfordernd. Mülders erwartet von seinen Spielerinnen, dass sie „für sich eine Entscheidung treffen, ob sie ihr ganzes Leben so organisieren wollen, wie es für den Leistungssport notwendig ist – und nicht nur dann, wenn die Medaillen vergeben werden“. Selbstbewusstsein könne sich nur entwickeln, „wenn sie wissen, dass sie an ihre persönliche Bestleistung herankommen“.

Leistungsoptimierung – das war auch immer das große Thema von Bernhard Peters. Entsprechend positiv äußert er sich über Mülders: „Er arbeitet sehr akribisch an allen Elementen, die wichtig sind, sucht überall nach Neuerungen und Verbesserungspotenzial.“ Viele Leute hätten ihm schon gesagt: „Da erkennen wir den Peters drin.“ Dessen Nachfolger als Bundestrainer hat Mülders allerdings kaum weniger beeinflusst. Mit der Entspanntheit von Markus Weise könne er sich sehr gut identifizieren, sagt Mülders. „Ohne seine Begleitung hätte ich nicht den Mut gehabt, mich in diese Richtung zu entwickeln. Aber grundsätzlich habe ich meinen eigenen Weg gefunden.“

Der Wechsel zu den Frauen war für ihn auch ein Schritt, sich von seinem Mentor zu emanzipieren. Peters hatte ihm abgeraten, den Job anzunehmen, „sehr vehement sogar“, wie Mülders berichtet. Lieber hätte er es gesehen, wenn Mülders bei den Junioren geblieben wäre und mit ihnen Titel gewonnen hätte. Man müsse sich auch für seine Arbeit belohnen, findet Bernhard Peters: „Die Selbstsicherheit eines Titelgewinns ist nicht verkehrt. Die fehlt Jamie noch. Aber das wird schon kommen, denke ich.“ Stefan Hermanns

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