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Sport: Neue Offensive

Wie Jürgen Klinsmann die Stürmer stark macht

Noch in der Umkleidekabine dachte Kevin Kuranyi an Kenny Kuranyi. Der Bruder des deutschen Nationalstürmers sammelt nämlich Trikots berühmter Fußballer. Als Kevin Kuranyi mit der deutschen Elf im September in Berlin gegen Brasilien spielte, war der Stuttgarter nach dem Spiel in die Kabine des fünfmaligen Weltmeisters gegangen, um sich dort das Trikot von Ronaldinho geben zu lassen. Nach dem 3:0-Sieg am Mittwoch in Leipzig gegen Kamerun sicherte sich Kuranyi wieder ein wertvolles Trikot, das er in einer Tüte mit sich trug. Es war sein eigenes. So viel Selbstvertrauen bei einem deutschen Stürmer gab es lange nicht mehr.

Gegen Kamerun setzte Kuranyi seine Serie fort – der Torjäger erzielte im dritten Spiel unter Jürgen Klinsmann seinen fünften Treffer. „Der Bundestrainer war selbst Stürmer. Er setzt auf Offensive, deshalb klappt das so gut“, sagte Kuranyi. Ähnlich äußerte sich Miroslav Klose. Der Bremer Stürmer erzielte nach seiner Einwechselung innerhalb von zehn Minuten zwei Tore. Zuletzt hatte Klose vor neun Monaten in der Auswahl getroffen. Unter Klinsmann sei „der Glaube an die eigene Stärke zurückgekehrt“, sagte Klose. Die deutsche Elf spielt nicht nur schneller und aggressiver, sondern auch mit mehr Spaß und Selbstvertrauen. Davon profitieren gerade die Stürmer. In den vier Spielen unter Klinsmann erzielten sie acht der neun Tore. In den vorangegangenen neun Spielen des Jahres unter Rudi Völler waren es nur fünf von insgesamt 17.

„Wir arbeiten an einem Spielsystem, das offensiv ausgerichtet ist, das aggressiv nach vorne laufen soll. Das setzt sich langsam in den Köpfen der Spieler fest“, sagt Klinsmann. Bei der Nationalmannschaft würden die Stürmer auf Trainer treffen, „die versuchen, ihnen permanent Selbstvertrauen zu geben“. Sie würden wissen, dass sie auch mal eine Chance vergeben könnten. Das sei kein Problem. „Denn ihr Trainer hat viel mehr Dinger versiebt“, sagte Klinsmann.

Sobald die Mannschaft in Ballbesitz ist, geht es darum, möglichst schnell in die gegnerische Hälfte zu gelangen. Dadurch, das weniger quer, sondern oft über die Außenbahnen oder steil in die Spitze gespielt wird, erhöht sich das Spieltempo. Dieser Stil kommt vor allem den jungen Spielern entgegen. Gegen Kamerun waren sechs von ihnen 22 Jahre alt und jünger. „Sie spüren, dass sie Fehler machen dürfen. Aber die machen sie im Moment nicht einmal.“ Exemplarisch stellte der Bundestrainer die Leistung von Per Mertesacker heraus. Der 20 Jahre alte Innenverteidiger von Hannover 96 habe mit seinem Stellungsspiel und seiner Abgeklärtheit bestochen. „Wie er das Spiel gelesen hat, wie er die Situationen antizipiert hat, davon bin ich angetan“, sagte Klinsmann. Mertesacker und der zweite Innenverteidiger, der ebenfalls erst 20-jährige Robert Huth (FC Chelsea), ließen so gut wie keine Chance der Afrikaner zu. „Die beiden Langen haben hinten alles weggeräumt“, sagte Münchens Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger, „die standen wie eine Mauer, wie eine Festung.“

Klinsmann sprach nach dem Spiel von einer „Mentalität der Stärke“, die die Mannschaft entwickelt habe. „Mit solchen Erfolgserlebnissen stärkt man die Gemeinschaft und die Überzeugung, das Projekt 2006 voranzutreiben.“ Spätestens bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land soll Kuranyis Trikot, jenes mit der Rückennummer 22, auch außerhalb der Familie heiß begehrt sein.

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