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Sport: Neue Stärke

Radprofi Cunego begeistert Italien beim Giro

Jung, strahlend, tollkühn: Damiano Cunego ist der neue Held im Radsport, den sich Italien herbeigesehnt hat. Nach seinem überraschenen Sieg beim Giro d’ Italia schwelgen in Mailand Fans und Experten vom 22-jährigen Kletterspezialisten, der dem siechenden Radsport nach Marco Pantanis Tod neues Leben einhauchen könnte. Für die Saeco-Mannschaft war der aus Verona stammende frühere Juniorenweltmeister ein Glücksgriff, auch wenn er mit seinem Sieg den Kapitän und Vorjahressieger Gilberto Simoni vergraulte. Denn Simoni hatte sich lange auf Cunego, seinen Helfer im Team, verlassen – bis der ihm davonfuhr.

„Cunego ist ein Geschenk des Himmels“, jubelte die „Gazzetta dello Sport“. Alle Radsportkommentatoren sangen Loblieder auf den „neuen jungen Gott“. Doch über die Komplimente – sogar von Tour-Sieger Lance Armstrong – errötete Cunego. Den Vergleich zum legendären Marco Pantani lehnt er schüchtern ab. „Das schmeichelt mir, aber man muss auf dem Boden bleiben.“ An der Tour de France will Italiens neuer Held noch nicht teilnehmen. „Die Rundfahrt ist sehr hart“, sagte Cunego, „deshalb muss man sie gut vorbereiten.“

Vor allem die taktische Raffinesse, mit der Cunego seinen ersten Giro-Sieg herausfuhr, begeistert die Italiener. Zunächst stellte er sich als Helfer ganz in den Dienst von Simoni, der seinen dritten Giro-Sieg ansteuerte. Nach der vierten Etappe holte sich der 32-jährige Kapitän plangemäß das Rosa Trikot. Er verteidigte es allerdings nur drei Etappen lang. Ausgerechnet Cunego löste ihn dann an der Spitze des Gesamtklassements ab und führte bis zum schweren Zeitfahren in Triest. Auf der schweren Dolomitenetappe zwischen San Vendemmiano und Falzes unterstrich Cunego dann seine Ambitionen auf den Gesamtsieg. Er distanzierte seinen Kapitän erneut und holte sich das Rosa Trikot, das er bis Mailand verteidigte.

Auf der drittletzten Etappe war Simoni gar Protagonist einer für die Tifosi unerhörten Aktion: Er attackierte in den Bergen seinen eigenen Mannschaftskameraden – allerdings ohne Erfolg. Auf Cunegos Terrain konnte Simoni seiner Trittfrequenz nicht folgen. Mehrmals schaute sich Cunego um und forderte ihn auf, Schritt zu halten, ehe er schließlich davonfuhr, was der Kapitän als eine Provokation empfand. Simoni war nach der Etappe außer sich und nannte Cunego öffentlich „einen Ignoranten“ und „einen Bastard“. Der Vorjahressieger fühlte sich um seinen dritten Giro-Sieg betrogen. Cunego focht das nicht an. Er genoss seinen Triumph. „Ab und zu kneife ich mich, um zu sehen, ob ich träume oder ob es Wirklichkeit ist“, sagt der Sieger.

Vincenzo delle Donne[Mailand]

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