zum Hauptinhalt
Alte Schule. Gregor Schlierenzauer verzichtete bei seinem Comeback in Innsbruck auf die neue Bindung. Foto: Reuters

© REUTERS

Neue Technik: Skispringer mit Bindungsangst

Eine neue Befestigungstechnik der Bindung macht das Skispringen windanfälliger und damit gefährlicher.

Werner Schuster wollte es nicht zu dramatisch machen in der Pädagogischen Hochschule Tirol. „Ein bisschen fürchte ich mich vor dem Skifliegen“, hatte der Skisprung-Bundestrainer gesagt und sich sogleich verbessert. „Fürchten ist das falsche Wort. Ein bisschen müssen wir beim Skifliegen aufpassen.“ Schon länger hatte es keine Stürze mehr im spektakulärsten Flugwettbewerb der Skispringer gegeben, in dieser Saison aber könnte es sich ändern: Der neuen Bindung wegen. „Bei diesem System darf es keine großen Windunterschiede geben“, sagt Werner Schuster, „das würde unserem Sport nicht gut tun.“

Eigentlich war das dritte Springen der Vierschanzentournee kaum dazu angetan, die monatelang schwelende Bindungsdiskussion neu zu befeuern. Dass der Österreicher Thomas Morgenstern in Innsbruck siegte und ihm vor dem Springen in Bischofshofen am Donnerstag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet) der Gewinn der Vierschanzentournee kaum zu nehmen ist, verdankt er nicht dem neuen Bindungssystem. Sondern seiner Athletik beim Absprung und seiner neuen mentalen Stärke. Doch weil sein Landsmann Gregor Schlierenzauer bei seiner Rückkehr nach Innenbandriss in Innsbruck die alte Bindung wählte, kam die Diskussion wieder auf.

Die neue Bindung hat das Skispringen windanfälliger gemacht – und damit gefährlicher. Doch Werner Schuster meidet dieses Wort. „Über die Gefahr muss jeder Athlet selbst entscheiden“, sagt der Bundestrainer, „aber es ist definitiv so, dass das System sehr sensibel ist.“ Kurioserweise besteht die Gefahr aber nicht für die schwächeren Weltcupspringer aus Kasachstan oder Südkorea, weil diese in der Luft nicht so extrem über den Ski liegen wie die Spitzenspringer. „Es ist viel schwieriger, das Ganze am Limit zu bewegen“, sagt Werner Schuster.

Der Schweizer Simon Ammann war mit dem neuen gekrümmten Bindungsstab in der letzten Saison zum Doppelolympiasieg geflogen, nun kopieren die Konkurrenten das System, das die Ski flacher in der Luft hält und die Flugkurve optimiert. Aber auch anfälliger macht für Fehler, weshalb Springer wie Gregor Schlierenzauer oder Michael Uhrmann nach einer Testphase wieder zur alten Bindung greifen. „Wenn das System in Balance ist, kann man mit unglaublich wenig Anlauf unglaublich weit springen“, sagt Werner Schuster, „aber ein kleiner Fehler macht sofort sechs oder acht Meter aus.“

Der österreichische Trainer Alexander Pointner macht darauf aufmerksam, dass die neue Bindung sich gar auf die Body-Mass-Regel auswirken könnte, die untergewichtige Skispringer verhindern soll. Sie sieht die Kürzung der Skilänge als Strafe für Springer vor, deren Body-Mass-Index (mit Anzug) unter 20,5 liegt. Weil aber die Ski mit der neuen Bindung flacher in der Luft liegen, müssen sie nicht mehr so lang sein. „Mancher Springer denkt, er könne auch noch leichter sein“, sagte Pointner der „Kleinen Zeitung“. Fördert die neue Bindung also untergewichtige Springer? Werner Schuster sieht diesen Trend noch nicht: „Im Moment sieht man bei Morgenstern: Athletik schlägt reines Gewichtmachen.“

Doch es gibt Kritiker wie den ehemaligen österreichischen Sportdirektor Toni Innauer, der die Freigabe der neuen Bindung als „nicht befriedigend“ bezeichnet. Der Internationale Weltskiverband Fis hat auch die Sprunganzüge streng reglementiert. Fis-Renndirektor Walter Hofer hat bereits angekündigt, eventuell nach der Saison auf die neue Bindung zu reagieren. Hofer sagt: „Der Athlet ist uns maximal eine Saison voraus.“ Vielleicht gibt ihm das Skifliegen weiteren Aufschluss.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false