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Im Super-Mittelgewicht entthronte Tyron Zeuge (links) in Potsdam Giovanni de Carolis.

© dpa

Neuer Boxweltmeister: Tyron Zeuge - Lichtblick aus Neukölln

Der neue Weltmeister Tyron Zeuge verfügt über großes Talent. Gerettet ist das deutsche Profiboxen damit aber nicht. Ein Kommentar.

Deutschland hat wieder einen Boxweltmeister. Tyron Zeuge, ein Neuköllner, erst 24 Jahre alt, zweitjüngster deutscher Box-Weltmeister aller Zeiten. Ein paar Monate älter, als es 1988 Graciano Rocchigiani als überhaupt erst dritter Deutscher nach Max Schmeling und Eckhard Dagge werden konnte. Übrigens auch im Super-Mittelgewicht, eine Gewichtsklasse, die damals gerade eingeführt wurde und heute von Beachtung und Bedeutung ist. Gerettet ist das deutsche Profiboxen damit aber nicht.

Nur zum Verständnis: Tyron Zeuge verfügt über boxerisches Talent, er besitzt dazu Power und hat den Kampf Sonnabendnacht in Potsdam völlig verdient gewonnen. Es war aber auch für ihn die zweite Chance, sich gegen den Titelverteidiger Giovanni de Carolis aus Rom abzuarbeiten, im Sommer hatte es nur zu einem Unentschieden gereicht. Dass der Italiener jetzt den vierten Kampf in Folge in Deutschland boxte (davor zweimal gegen Vincent Feigenbutz), und das insgesamt fünfte Mal (2013, Niederlage gegen Arthur Abraham) gegen Deutsche antrat, zeigt, wie klein doch die Boxwelt werden kann, wenn es um Titel geht.
Die Crux ist das Fernsehen. Ohne TV-Partner geht es hierzulande wirtschaftlich nicht, aber mit einem solchen Partner muss es immer gleich um große Titel gehen. Schon eine Europameisterschaft, seinerzeit ein geschätzter und ehrenvoller Titel im Boxen, ist dem Fernsehen zu mickrig. Nur WM-Titel-Fights lassen sich vermarkten. Das führt dazu, dass seit Jahren Duelle zustande kommen, die einer WM nicht würdig sind und Zuschauer sich veräppelt fühlen.

Deutschland wird das Profiboxen nicht revolutionieren

Tatsächlich ist es heute oft schwieriger, bei den Amateuren den WM-Titel zu gewinnen, wo es nach wie vor nur einer werden kann. Bei den Profis werfen mindestens vier große Weltverbände Titel auf den Markt. Das verwässert und lässt einen den Überblick verlieren. Ein bekanntes Dilemma.

Nun wird Deutschland das Profiboxen nicht revolutionieren können. Das Erbe des ehemaligen DDR-Boxens ist längst aufgebraucht, herausragende Vertreter wie der einst großartige Trainer Fritz Sdunek sind tot. Die nachfolgende Generation von Boxern, die von ehemaligen Meistertrainern geformt und betreut wurden, sind in die Jahre gekommen, wie Arthur Abraham, Marco Huck, Felix Sturm oder Jürgen Brähmer. Selbst Wladimir Klitschko, der Adoptivsohn des deutschen Boxens, ein Sdunek-Schüler, ist 40 Jahre alt. Sie boxen bis heute und werden wohl noch einmal Weltmeister werden können. Die Zukunft sind sie nicht.

Dem deutschen Profiboxen fehlt es an Figuren wie Rocchigiani, Maske, Schulz, Beyer oder Ottke, ihren Nachfolgern fehlt es oft an boxerischer Klasse, an Haltung und Charisma.

Tyron Zeuge ist ein Lichtblick, er hat eine gute Amateurausbildung erhalten und in Jürgen Brähmer mittlerweile einen Trainer, der es bei den Amateuren wie Profis zu Ehren gebracht hat und noch genügend positive Erbmasse in sich trägt. An seinem Titel kann Zeuge wachsen und mit ihm vielleicht auch das deutsche Profiboxen.

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