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Die neue deutsche Handballgeneration um Linksaußen Kevin Schmidt (l.) verpasste in diesem Jahr erstmals eine EM-Teilnahme.

© AFP

Neuer Handball-Präsident im Interview: Bauer: „Viele Länder sind an uns vorbeigezogen“

Der neue DHB-Präsident Bauer über einen Neuanfang im deutschen Handball und das Kompetenzgerangel im Verband zwischen Heiner Brand und Bob Hanning.

Seit September ist Bernhard Bauer Präsident des Deutschen Handballbunds. Früher spielte er für Göppingen in der Bundesliga. Danach arbeitete er als politischer Beamter, zuletzt war der 62-Jährige Ministerialdirektor in Baden-Württemberg.

Herr Bauer, Sie sind vor vier Wochen zum Präsidenten des Deutschen Handballbunds (DHB) gewählt worden. Wie lange haben Sie sich auf den Posten vorbereitet?

Das war ein längerer Prozess. Richtig konkret ist es im April geworden, als sich Veränderungen im vorherigen Präsidium andeuteten, also schon ein halbes Jahr. Warum fragen Sie?

Sie haben gleich nach Amtsantritt ein sehr straffes Programm hingelegt: Zuerst gab es einen Besuch bei einem Lehrgang der Nationalmannschaft, dann folgte die Nachricht, dass sich Deutschland gemeinsam mit Dänemark um die WM 2019 bewirbt.

Ich habe in der Zwischenzeit auch die Junioren besucht, bei den Frauen werde ich auch sein. Die Absicht hinter diesen Treffen war, gemeinsam mit den Nationalspielern darüber zu reden, wie wir wieder erfolgreich werden können. Ich setze auf Austausch, offene Worte sind mir wichtig. Vor allem wollte ich aber zeigen: Ich bin ein Typ, mit dem man über alles reden kann.

Wie war die Reaktion des Teams?

Mein Eindruck war: Wir haben gute Gespräche geführt. Die Spieler waren sehr aufmerksam – wie das so ist, wenn jemand Neues vorbeikommt. Ich kann nachvollziehen, dass manche am Anfang skeptisch waren, aber grundsätzlich sind Bob Hanning und ich positiv aufgenommen worden, das hat sich dann in den anschließenden Einzelgesprächen gezeigt.

Hatten Sie das Gefühl, den Spielern die Bedeutung der Nationalmannschaft erklären zu müssen?

Es war natürlich ein Thema, dass die Auswahlteams und deren Spieler die Aushängeschilder ihrer Sportart sein müssen und dass damit bestimmte Erwartungen einhergehen. Andererseits haben wir auch Wünsche und Vorschläge der Spieler aufgenommen. Thematisch ging es vor allem um Überbelastung und die Terminpläne der Liga, ein seit Jahren strittiges Thema. Für mich war es wichtig, das einmal selbst zu hören, weil wir im Verband letztlich die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen, dass die Nationalteams erfolgreich sein können.

Zu einer erfolgreichen Nationalmannschaft gehört auch, dass die Besten für sie spielen wollen. Das war zuletzt nicht immer so.

Richtig. Wir müssen die Ursachen dafür erforschen, dass sich manche Spieler lieber auf andere Dinge konzentrieren. Deshalb habe ich mit meinem neuen Vizepräsidenten Bob Hanning vereinbart, dass er den Kontakt zu den entsprechenden Spielern sucht. Wir müssen da in unserem Interesse aktiv nach Gründen graben. Ebenso muss jedem Spieler klar sein, dass man Popularität und Bekanntschaft nicht primär im Verein, sondern im Nationalteam erlangt.

Kritiker sagen, der neue starke Mann im deutschen Handball ist gar nicht Präsident Bauer, sondern Vize Hanning. Was entgegnen Sie?

Das können nur Leute sagen, die mich nicht kennen. Ich hatte schon immer einen eigenen Kopf, eine eigene Meinung. Bob und ich haben unterschiedliche Qualitäten, aber die wollen wir im Sinne des Handballs einbringen. Wir sind gemeinsam mit allen anderen Mitgliedern des Präsidiums ein Team, dem es um die Sache geht und das für einen Neuanfang steht.

Ihr Start als Gespann war allerdings nicht so glücklich. Wenige Wochen vor der Wahl haben Sie mit einer vom DHB nicht autorisierten WM-Bewerbung für schweren Wirbel im Verband gesorgt.

Das war ein Fehler, für den ich mich bei meinem Vorgänger Ulrich Strombach entschuldigt habe, der Streit ist also ausgeräumt. Andererseits waren wir vor kurzem zu Besuch bei der Internationalen Handball Föderation IHF – und da gab es keine Verstimmungen bezüglich dieser Geschichte.

Sie sprechen die kürzlich bekanntgegebene WM-Bewerbung für 2019 an. Zum ersten Mal könnte ein großes Männer-Turnier in zwei Ländern ausgetragen werden: in Deutschland und Dänemark.

Wir haben potente Mitbewerber, aber für unsere Sportart wäre es ausgezeichnet, wenn zwei so große Handball-Nationen wie Dänemark und Deutschland den Zuschlag bei der Vergabe am 28. Oktober in Doha erhielten. Wir als deutscher Verband verstehen die gemeinsame Bewerbung auch symbolisch, als Zeichen von Demut: Wir wollen anderen Nationen die Hand reichen und vielleicht von ihnen lernen. In den letzten Jahren sind ja viele Länder sportlich an uns vorbeigezogen.

Zuletzt hat die Männer-Nationalmannschaft sogar erstmalig die EM-Teilnahme verpasst. Teilen Sie die Befürchtung, der deutsche Handball könnte durch derartige Misserfolge zunehmend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden?

Bernhard Bauer.
Bernhard Bauer.

© dpa

Wenngleich das Wort überstrapaziert wird: Unsere Kommunikation muss sich verbessern, sowohl intern als auch den Medien gegenüber. Ich hatte vor kurzer Zeit ein Gespräch mit dem Intendanten des SWR, und der hat mir klar zu verstehen gegeben: Für die öffentlich-rechtlichen Medien ist unsere Nationalmannschaft das einzig interessante Produkt – und das auch nur, wenn sie erfolgreich ist.

Bei der letzten WM wurde für das Viertelfinale gegen Spanien sogar die Tagesschau verschoben.

Im Vergleich mit den anderen Ballsportarten sind wir schon noch die klare Nummer zwei hinter Fußball. Wir beginnen mit Einschaltquoten, über die andere froh wären. Aber deshalb dürfen wir in Sachen Öffentlichkeitsarbeit nicht nachlassen, im Gegenteil: Wir müssen mehr investieren. Und dafür müssen wir wieder geschlossener auftreten.

Apropos Geschlossenheit. Ex-Bundestrainer und DHB-Manager Heiner Brand hat schon mal klargemacht, dass er Bob Hanning nicht als seinen Vorgesetzten ansieht. Droht da gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit ein Kompetenzgerangel?

Nein, wir drei haben vor wenigen Tagen ein paar Dinge ausgeräumt, die durch die Medien gegeistert sind. Die Absprache ist klar: Bob Hanning ist für den sportlichen Bereich alleinverantwortlich. Und Heiner Brand ist als Identifikationsfigur elementar, gerade auch außerhalb des Sports. Er wird sich künftig mehr um die Bereiche Eliteförderung und Marketing kümmern und seine Kompetenz und Bekanntheit unter anderem in nationalen und internationalen Gremien nutzen.

Klingt nach repräsentativen Aufgaben.

Wenn wir den deutschen Handball kompetent repräsentieren wollen, setzt dies inhaltliches Arbeiten voraus. Wir müssen künftig breiter aufgestellt sein. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass beide engagiert am Neuanfang mitwirken wollen. Um dies zu unterstreichen, haben wir Heiner Brand auch angeboten, als Gast beratend an unseren Präsidiumssitzungen teilzunehmen.

Olympia 2020 ist ein langfristiges Ziel. Bob Hanning hat für das Turnier bereits die Goldmedaille als Ziel ausgegeben. Zu forsch?

Nein, ich denke nicht. Im Sport muss man klare Platzierungen ausgeben – und als weltgrößter Verband muss es unser Anspruch sein, dauerhaft zur Weltspitze zu gehören.

Das Gespräch führte Christoph Dach.

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