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Sport: Neues Fluggefühl

Alexander Herr wird beim ersten Skispringen der Saison Zweiter und will nun noch mehr

Es war ein ungewohnte Situation. Zumindest für Alexander Herr. Da stand er nun, der Skispringer aus dem Schwarzwald. Direkt neben dem Janne Ahonen. Der Finne lächelte. Das wirkte eher schon professionell. Natürlich, Ahonen schien von seinem Sieg zum Auftakt der Saison nicht sonderlich überrascht. Doch bei dem Herrn, der bei der Siegerehrung neben ihm auf dem Podest stand, war das anders: der Deutsche strahlte, als gehöre ihm für einen Moment die kleine kalte Welt im Ruka-Skistadion: Er stand rechts vom Sieger – dort wo sich der Zweitplatzierte positioniert bei der Zeremonie.

Mit dem besten Einzelresultat seiner Karriere hatte sich der Springer aus Schonach an die Spitze der deutschen Mannschaft katapultiert, in der Michael Uhrmann Achter, Georg Späth Elfter wurde und Jörg Ritzerfeld auf Rang 13 landete. Ein beachtliches Gesamtergebnis, das allein durch den Aufritt von Martin Schmitt getrübt wurde. Der ehemalige Weltmeister war im ersten Durchgang schon bei 107,5 Metern gelandet und hatte somit das Finale der besten 30 deutlich verpasste. Welchen Stellenwert die beiden Flüge von Alexander Herr auf 138,5 und 126,5 Meter für die deutschen Springer hatten, verdeutlichte die Aussage von Teamkollege Michael Uhrmann, im Vorwinter einziger Sieger in der deutschen Mannschaft. „Es ist ganz wichtig, dass einer von uns vorne dabei ist. Es ist egal, wer es ist“, sagte Uhrmann.

Sieger Ahonen sprang mit 144,5 und 142 Metern zwar deutlich weiter als Herr, doch das störte den Zweitplatzierten nicht. „Ein Wahnsinn, dass ich mit einem schwachen zweiten Sprung hier aufs Podest komme“, sagte Alexander Herr. „Ich bin total glücklich.“

Schon Ende der vergangenen Saison hatte Alexander Herr mit den Rängen drei und sechs Hoffnungen geweckt nach einem insgesamt für ihn misslungenen Winter. Jetzt hat er gezeigt, dass die Saisonvorbereitung unter Anleitung seines Vaters und Trainers Hans-Paul Herr effektiv genug ist und ihn auf Spitzenpositionen bringen kann. „Der zweite Platz bedeutet mir heute sehr viel, denn ich habe auch sehr viel dafür getan und körperlich investiert“, sagte Alexander Herr. Die intensive Arbeit des Schwarzwälders mit dem Kinnbärtchen mündete zum richtigen Zeitpunkt in einer sehr guten Leistung.

Nun ist Alexander Herr von dem Willen beseelt, endlich seinen ersten Weltcup zu gewinnen, eine Aktion, die er ernsthaft angehen will. Entscheidend wird dabei sein, ob er nicht, wie in der Vergangenheit zu oft, mit dem Kopf durch die Wand will, wie er selbst sagt.. „Ich arbeite an meiner Form, auch an meiner mentalen.“ Aber den Reiz des Skispringens mache eben der Bruchteil beim Absprung aus, darauf komme es vor allem an. „Und meinen Absprung will ich nun optimieren.“

Sichtlich noch nicht die Anspannung verloren nach seinem ersten Weltcupspringen als verantwortlicher Coach und Nachfolger von Wolfgang Steiert hatte Bundestrainer Peter Rohwein. Eine Stunde nach dem Springen sprach Rohwein davon, dass die „von vielen Totgesagten“ noch gut leben würden. Kaum hatte er dieses Stereotyp bemüht, reagierte er dann recht heftig auf die Frage nach dem Stellenwert von Herrs Vater in der ganzen Vorbereitung. „Wir tragen alle die Verantwortung für den Erfolg.“ Das werde leider aber nicht immer so gesehen, polterte der Allgäuer.

Erkennbar an den angespannten Nerven Rohweins wurde wohl auch, dass der erst Anfang Oktober vollzogene Trainerwechsel die Springermannschaft doch in ziemliche Unruhe versetzt hat. Rohwein wollte davon aber nichts wissen. Der Erfolg von Kuusamo sei doch nur ein Beleg dafür, wie gut es in der deutschen Mannschaft schon laufe. „Der Saisonstart gibt mir eine gewisse Selbstsicherheit, die mich bestätigt. Denn es gab viele, die gefragt haben: der Rohwein, wer ist das überhaupt?“

Wer Alexander Herr ist, das ist seit gestern klar. Ein Skispringer mit Perspektive und ein Sportler, der sich noch richtig freuen kann.

Lutz Rauschnick[Kuusamo]

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