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Touch Down. Der neue Quarterback der Indianapolis Colts, Andrew Luck (Nummer 12), gilt in der Szene als Jahrhunderttalent.Foto: dapd

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NFL: Mannschaft mit Glatze

Football-Coach Chuck Pagano hat Leukämie. Seinem NFL-Team verleiht diese Nachricht ungeahnte Kräfte.

Berlin - Viel brutaler hätte der Zeitpunkt für Chuck Pagano kaum sein können, schließlich hatte er sich gerade einen Lebenstraum erfüllt. Nach mehr als 25 Jahren und diversen Stationen als College- und späterer Assistenzcoach in der US-amerikanischen National Football League (NFL) war dem Trainer der Indianapolis Colts an jenem 16. September 2012 Historisches gelungen, zumindest aus persönlicher Sicht. Paganos Team hatte die Minnesota Vikings geschlagen, für den 52-Jährigen bedeutete das 23:20 den ersten Sieg in der NFL als verantwortlicher Headcoach in der Profiliga.

Der Schock folgte eine Woche später bei einer Routineuntersuchung: Die behandelnden Ärzte diagnostizierten Leukämie bei Pagano, plötzlich war Football nur noch Nebensache – für ihn, für seine Spieler, für seinen Klub. „Die Nachricht war für alle wie ein Stich ins Herz“, sagte Linebacker Robert Mathis, der beste und erfahrenste Verteidiger der Colts, im Interview mit dem Fernsehsender ESPN. Dem 111-Kilo-Mann standen dabei Tränen in den Augen. „Mit den Gedanken sind wir alle bei unserem Coach“, sagte Mathis.

Pagano hatte die Colts vor der Saison übernommen. In der mehrmonatigen Vorbereitung war es dem streng gläubigen Katholiken aber offenbar gelungen, der neu formierten Mannschaft echten Teamgeist einzuimpfen. Pagano habe Einzelgespräche mit jedem Spieler geführt, berichtete Mathis. „Er weiß, wie man mit Menschen umgehen muss“, sagte der Verteidiger.

Gesprächsbedarf gab es ja vor der Saison allemal bei den Indianapolis Colts. Der Super-Bowl-Sieger von 2007 hatte eine katastrophale Saison gespielt. Der Grund für die Bilanz von 15 Niederlagen in 16 Spielen lag zwar in erster Linie am verletzungsbedingten Ausfall von Superstarquarterback Peyton Manning. Allerdings nutzte der Klub die Zwangspause Mannings auch für einen radikalen Umbruch im Team. Die Colts schenkten ihre Begegnungen regelrecht ab – wohl wissend, dass bei der alljährlichen Talentauswahl der Collegespieler, dem sogenannten Draft, das Team mit der schlechtesten Saisonbilanz als Erstes aus dem riesigen Pool an Nachwuchsspielern wählen darf. Diese Regelung soll die Chancengleichheit im US-Sportsystem wahren. Die Colts jedenfalls entschieden sich für Andrew Luck. Manning verließ den Klub nach 13 Jahren in Richtung Denver.

Und eben jener Andrew Luck sorgt nun mit überragenden Leistungen dafür, dass aus dem schlechtesten Team des Vorjahres ein ernsthafter Anwärter auf die im Januar beginnenden Play-offs in der NFL geworden ist. Nach dem Sieg über die Jacksonville Jaguars in der Nacht zu Freitag (27:10) stehen die Colts bei einer 6:3-Bilanz. Seit der Leukämiediagnose ihres Coaches haben die Colts lediglich eine Partie verloren. „Wir sind durch diesen Schicksalsschlag noch enger zusammengerückt“, sagt Robert Mathis, „als Sportler, Teamkollegen, aber vor allem als Menschen. Wir wollen jedes Spiel für Chuck gewinnen.“

Als Colts-Besitzer Jim Irsay die Mannschaft darüber informierte, dass Pagano seine erste chemotherapeutische Behandlung gut überstanden habe und das Spiel seines Teams vom heimischen Sofa aus sehen könne, brach riesiger Jubel unter den Kolossen in der Kabine aus. Kürzlich überraschte Pagano sein Team dann sogar mit einem Besuch in der Umkleide. Und wäre nicht alles so traurig, er hätte lachen müssen. Fast die komplette Mannschaft hatte sich aus Solidarität eine Glatze scheren lassen. „Er soll wissen, dass er nicht allein ist“, sagte Robert Mathis.

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