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Christine Michael (vorn) war nie besser.

© USA Today Sports

NFL-Play-offs: Ein Junge namens Christine

Running Back Christine Michael könnte für die Seattle Seahawks beim Play-off-Spiel bei den Minnesota Vikings entscheidend werden.

Im Alter von zwölf Jahren stellte Christine Michael seine Mutter zur Rede. Was sie sich bloß bei diesem blöden Vornamen gedacht hatte, wollte der Junge wissen. Alle würden ihn deswegen hänseln. Christine heißen doch nur Mädchen.

Die Mutter versuchte ihn zu beruhigen. Sie erzählte vom Sänger Johnny Cash, der einmal ein Lied mit dem Titel „A boy named Sue“ geschrieben hatte. Aus dem Jungen, um den es in dem Song ging, wurde ein Kämpfer, gerade wegen seines Namens. Das war aber nur ein Teil der Geschichte. Mary Michael hatte sich schlicht ein Mädchen gewünscht und den Namen Christine bereits ausgesucht, bevor sie das Geschlecht ihres Babys kannte. Obwohl es dann ein Junge wurde, änderte sie ihre Entscheidung nicht mehr.

Christine Michael brachte es trotzdem zu einem der beliebtesten Jungen in Beaumont, Texas. Auf dem Football-Feld bestrafte er alle Gegner, die es gewagt hatten, über seinen Namen zu lachen. Niemand konnte ihn stoppen, so schnell, so athletisch war er als Running Back. Michael schaffte es zu den Profis in die National Football League (NFL). Dort tritt er mit seinen Seattle Seahawks am Sonntag in der ersten Play-off-Runde bei den Minnesota Vikings (19 Uhr, live bei Pro Sieben Maxx) an.

In der NFL dominierte Michael längst nicht mehr so wie zu der Zeit, als er noch auf die High School oder aufs College ging. Trotzdem könnte ihm am Sonntag eine Schlüsselrolle zukommen. Seattles bester Läufer Marshawn Lynch war sechs Wochen lang verletzt, niemand weiß, wie lange und vor allem wie gut er nach seiner Leistenoperation in der Lage ist, zu spielen. Ersatzmann Thomas Rawls fehlt verletzt, gut möglich also, dass Michael sehr oft den Ball nach vorne tragen darf. Dass beide Teams in erster Linie auf ihr Laufspiel setzen, gilt als sicher. Für Sonntag sind in Minnesota Temperaturen bis zu minus 17 Grad vorausgesagt – viel zu kalt, um den Ball präzise zu werfen.

In Minnesota sind Temperaturen von bis zu minus 17 Grad vorausgesagt

Michael könnte ein Faktor werden, wenn es ihm gelingt, endlich konstant sein Potential abzurufen. So wie am vergangenen Sonntag, als er gegen die Arizona Cardinals zum ersten Mal in seiner NFL-Karriere mehr als 100 Yards erlief. Es war sein bisher bestes Spiel. In Seattle glauben sie nun wieder an ihn. Das war vor wenigen Monaten noch anders. Da schoben die Seahawks den 25-Jährigen zu den Dallas Cowboys ab. Endlich zu Hause, endlich wieder in Texas, dachte Michael, doch auch bei den Cowboys lief es nicht. Sie entließen ihn nach nur fünf Spielen. Von Dallas ging es weiter an die Ostküste zu den Washington Redskins, aber da schaffte er es nicht mal in den Kader. Nach vier Wochen wurde er entlassen, die Arbeitslosigkeit drohte. Dann holten ihn die Seahawks zurück.

In wenigen Monaten war Michael tausende Meilen durchs Land gereist, hatte in Hotels aus dem Koffer gelebt und war doch nirgendwo angekommen. Die Schattenseiten des amerikanischen Sportsystems, bei dem Spieler gegen ihren Willen von Team zu Team weitergereicht werden können, lernte er am eigenen Leib kennen. „Das war eine erniedrigende Erfahrung. Ich muss jetzt fokussiert bleiben und so hart arbeiten wie all die anderen hier“, sagte Michael der Zeitung „The Seattle Times“. Mit der Arbeit hatte er es vorher oft nicht so genau genommen, zu schnell gab er sich zufrieden. Das soll sich nun ändern, Michael will sich durchsetzen. Wie der Junge in dem Lied von Johnny Cash.

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