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© dpa

Sport: Nicht mehr konkurrenzfähig

Hertha BSC erlebt beim 0:4 gegen Aufsteiger Freiburg ein beispielloses Debakel und ist Tabellenletzter

„Also, ich möchte mich als erstes für meine eigene Leistung entschuldigen. Und ich möchte mich entschuldigen für die Leistung meiner Mannschaft. Gleichzeitig möchte ich mich bei den Fans bedanken für die Unterstützung trotz unserer blamablen Vorstellung. Ich kann mir die nicht erklären. Mehr habe ich nicht zu sagen."

Hertha-Kapitän Arne Friedrich

Berlin - Um kurz vor halb acht wurde das Flutlicht noch heller gemacht, und für ein paar wenige noch verbliebene Spielminuten erleuchtete ein Anflug von höherem Glanz das Olympiastadion. Es war dies ein symbolischer Rahmen, der mit der Wirklichkeit so wenig zu tun hatte wie die Spieler von Hertha BSC mit dem schönen Spiel namens Fußball, mit dem sie laut Steuererklärung ihr Geld verdienen. Nach dem 0:4 (0:3) gegen den SC Freiburg ist Berlins Fußball-Bundesligist dort angekommen, wo man den absoluten Tiefpunkt orten würde. Wäre da nur nicht die aus den vergangenen Wochen gewonnene Gewissheit, dass es immer noch ein bisschen tiefer geht. Das ist beim Bundesliga-Schlusslicht Hertha BSC nach nun fünf Niederlagen in Folge nur in der Tabelle nicht mehr möglich.

Mit erstaunlicher Tapferkeit ertrugen die 38 176 Zuschauer das Drama. Die eisernen Fans in der Ostkurve feierten ihren Klub fast das gesamte Spiel über und übertönten damit die Pfiffe und „Favre raus!“-Rufe des restlichen Publikums, das dem unterirdischen Treiben gegenüber weniger aufgeschlossen war. Eine derart surreale Atmosphäre hat das Olympiastadion lange nicht erlebt.

Ist Lucien Favre noch der richtige Mann auf der Trainerbank? „Er ist seit zwei Jahren in Berlin und hat sehr gute Arbeit geleistet“, sagt Herthas Manager Michael Preetz. „Was wir uns nicht bieten lassen können, ist die unfassbare Leistung, die die Mannschaft in der ersten Halbzeit abgeliefert hat. Aber darüber müssen wir erst einmal mit den Führungsspielern reden.“ Favre war schwer gezeichnet von dem furchtbarsten Spiel seiner Amtszeit. Der Schweizer sprach von einer „enormen Enttäuschung“ und dass „alle schuld sind, die Spieler und ich“. Es lag gestern keineswegs an den Kleinigkeiten, die Favre zuletzt angeführt hat. Was ist passiert mit dieser Mannschaft, die in der vergangenen Saison noch die Fingerspitzen an der Meisterschale hatte? Niemand hat eine Wiederholung dieser Glanzleistung erwartet, aber auch einen in dieser Brutalität einmaligen Absturz stand nicht auf der Rechnung, nicht mal bei den härtesten Kritikern des personellen Revirements, dem sich der Verein unterzogen hat. Im anbrechenden Herbst 2009 ist Hertha BSC auch auf niederem Bundesliganiveau nicht mehr konkurrenzfähig.

Es gab gegen Freiburg keine einzige Szene, in der so etwas wie Klasse aufblitzte. Das war noch schlimmer als die in dieser Höhe noch schmeichelhafte Niederlage. Freiburg, eine biedere, mit zwei, drei Technikern aufgehübschte Mannschaft, benötigte zwölf Minuten und zwei Torschüsse, um die Kräfteverhältnisse in feste Form zu gießen. Erst steckte Cedrick Makiadi den Ball durch zu Mohamadou Idrissou, der den heftig und zu Unrecht auf Abseits reklamierenden Verteidigern davon lief und in die Mitte verlängerte auf Ivica Banovic, der unbedrängt zum 1:0 traf. Beim zweiten Streich stand Makiadi nach Banovics Pass vielleicht einen Fuß breit im Abseits, aber auf solche Feinheiten darf man sich nun mal nicht verlassen. Banovic schob den Ball in aller Ruhe vorbei an Sascha Burchert, Herthas bedauernswertem Ersatztorwart, der auch an diesem Tor keine Schuld trug.

Damit war das Spiel entschieden. Hertha wankte verunsichert über den Platz. Arne Friedrich, Herthas selbst ernanntes Qualitätsmoment in den Innenverteidigung, sah bei den beiden Gegentoren schlecht aus und war darüber hinaus nicht willens oder fähig, seine jungen Kollegen an die Hand zu nehmen. Pal Dardai bekam im Mittelfeld keinen Ball unter Kontrolle, der lange verletzte Raffael schien vor allem Angst vor einer neuen Blessur zu haben. Und über die Linksachse Marc Stein/Maximilian Nicu sei in deren eigenem Interesse nicht mehr gesagt, als dass Trainer Favre sie zur zweiten Hälfte per Auswechslung vor weiterer Selbstdemontage bewahrte. Kurz ihrem Abgang mussten sie noch Idrissous Tor zum 3:0 bestaunen.

Um auch etwas Positives über die Berliner zu sagen: In der zweiten Halbzeit hielten sie das Spiel gegen den als Vorletzten angereisten Aufsteiger weitgehend offen. Artur Wichniarek bot sich sogar der Ansatz einer Torchance, er vergab sie mit der ihm eigenen Mischung aus Hilfs- und Glücklosigkeit. Nach einer guten Stunde war Schluss für den Polen. Favre brachte den Kolumbianer Adrian Ramos, dem er damit auch keinen großen Gefallen tat. Ramos köpfte einmal in Abseitsposition über das Tor und hinterließ ansonsten wenig Wirkung. Auch ihm blieb es bei seinem Heimdebüt nicht erspart, als Teilnehmer an einer fußballerischen Anti-Demonstration ein Gegentor mitzuerleben. Banovic erzielte es in der 68. Minute. Lange bevor eine Sonne namens Flutlicht aufging über Hertha BSC.

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