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Sport: Nicht mehr zum Lachen

Hertha fährt mit einer Mannschaft ins Trainingslager, die noch Lücken aufweist

Berlin - So ein Trainingslager dient im Normalfall der Selbstfindung. Zur Einschwörung auf die kommenden Aufgaben, zur Integration neuer Spieler. Hertha BSC reist heute für zehn Tage gemeinsamen Übens nach Stegersbach. Aber zur Selbstfindung wird die Zeit im Burgenland eher nicht beitragen. Beim Berliner Fußball-Bundesligisten befindet sich derzeit wenig, das sich finden könnte.

Weil Manager Dieter Hoeneß und Trainer Lucien Favre noch eine Liste möglicher Verstärkungen abarbeiten, reisen nur zwei neue Spieler ins Trainingslager. Der eine (Torhüter Jaroslav Drobny) ist gesetzt, der andere (Stürmer Lukasz Piszczek) hätte mit einem Stammplatz auf der Bank schon viel erreicht. Die im Mannschaftsgefüge unentbehrlichen Brasilianer Mineiro und Gilberto spielen noch bei der Copa America. Und dann sind da noch die Brüder Boateng, deren Geschichte jeden Tag neue, obskure Drehungen erhält. Kevin-Prince, der pünktlich zu Favres Dienstantritt mit paramilitärischer Kampffrisur auflief, kokettiert mit einem Angebot des FC Sevilla (der ihn vielleicht mit dem ghanaischen Nationalspieler gleichen Familiennamens verwechselt). Am Samstag schoss er beim 4:1 im Testspiel in Lübben sein vielleicht letztes Tor für Hertha. Sein jüngerer Bruder Jerome wird auf gar keinen Fall mit ins Trainingslager fahren, was aber an einem Anriss im Außenband des rechten Fußes liegt und nicht am Interesse des Hamburger SV. Es heißt, Trainer Lucien Favre habe an den Boatengs trotz deren fußballerisch unbestrittener Qualitäten kein großes Interesse.

Zwei Wochen lang lässt der Schweizer die Berliner schon im Kreis laufen. Trainingsbesucher erschraken ob der lauten und zuweilen unwirschen Zwischenrufe des sonst so galanten Monsieur Favre. Zufriedenheit hört sich anders an. Ansonsten hat er wenig geredet und deutlich erkennen lassen, dass ihm der Bohei um ihn und die Mannschaft einigermaßen auf die Nerven geht. Den Pressesprecher Hans-Georg Felder ließ Favre wissen, dass er keineswegs gedenke, wie seine Vorgänger täglich eine Pressekonferenz zu geben, auf der so interessante Gegenstände erörtert werden wie die Entstehungsgeschichte seines Spitznamens Lulu. Dafür habe er zu viel zu tun.

Zumal Favre immer noch ohne Assistent arbeitet und im Training schon mal die Hütchen selbst aufstellt. Abhilfe ist hier immerhin in Sicht. Am Freitag ließ der FC Zürich verlauten, dass er im Falle von Favres langjährigem Assistenten Harald Gämperle nicht mehr auf der Vertragserfüllung bestehe. Der Klub habe die Angelegenheit seinen Anwälten übergeben, „um die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu überprüfen“. Hertha wird wohl eine Abfindung zahlen. Gämperle reiste noch am Freitag aus dem Trainingslager der Züricher im Engadin nach Berlin und dürfte schon im Stegersbacher Trainingslager die Kommandos geben. Harald Gämperle wird ein recht burschikoser Umgangston nachgesagt.

Bei seiner ersten Trainerstation in Yverdon hat sein Chef Favre annähernd die komplette Mannschaft ausgewechselt. Die mit brasilianischen Importen runderneuerte Elf stieg in die erste Liga auf und spielte technisch so anspruchsvollen Fußball, dass die Schweizer Zeitungen von „Yverdinho“ schrieben. Ist es ein Zufall, dass Herthas Manager Dieter Hoeneß zurzeit in Brasilien nach Verstärkung forscht? Dem Mittelfeldspieler Lucio hat er vielleicht schon ein Flugticket nach Wien geschickt, auf dass er sich im zwei Autostunden entfernten Stegersbach möglichst schnell von den Herren Favre und Gämperle einarbeiten lässt.

Weiteres soll folgen aus Südamerika, dazu vielleicht auch der Ghanaer Essien, der mit Vornamen allerdings nicht Michael heißt (wie der Weltstar vom FC Chelsea), sondern Kweku – und immerhin Fußballer des Jahres der ghanaischen Premier League ist. Essien durfte in Lübben 90 Minuten mitspielen und sich über freundliche Worte von Favre freuen. Nach Stegersbach wird der Offensivspieler im Status eines Testspielers mitreisen.

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