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Sport: Nicht München, Mainz zählt

Der abstiegsgefährdete SC Freiburg verdrängt das 0:7-Debakel im Pokal

Auch der Trainer benötigte nach der schwarzen Nacht Abstand. Vielleicht hat er am Morgen danach, bei strahlend blauem Himmel über dem verschneiten Breisgau und einem Sonnenschein, der die Kraft des Frühlings verriet, bei einem Spaziergang noch einmal über alles nachgedacht. Achim Stocker, der Vorsitzende des SC Freiburg, hielt am Vormittag auf dem Vereinsgelände jedenfalls vergeblich Ausschau nach Volker Finke. Das ist in 14 Jahren nicht sehr oft vorgekommen.

Stocker hatte es am Abend zuvor gehalten wie immer. Vor dem Pokal-Viertelfinale gegen den FC Bayern hatte er einigen Sponsoren die Hand geschüttelt, um dann rechtzeitig zum Anpfiff den kurzen Heimweg anzutreten. Kaum zu Hause angekommen, lag Bayern München 2:0 vorne, und Stocker bat seine Frau, den Fernseher auszuschalten: „Da wusste ich, was auf uns zukommt.“ Es wurde die höchste Niederlage in einem Pflichtspiel seit 1978, als sich der SC Freiburg für den bezahlten Fußball qualifizierte. Ein 0:7 in einem Spiel, das in der ersten Hälfte, bei fünf Gegentoren und einer Roten Karte für Youssef Mohamad, einer fußballerischen Selbstauflösung gleichkam.

„Unsere Idee, die Partie möglichst lange offen zu halten und das Spiel in Mainz trotzdem im Kopf zu haben, ist komplett fehlgeschlagen“, sagte Trainer Finke. Im Dezember 2003 hatten die Freiburger gegen eben diese Bayern mit 0:6 ihre bis dato höchste Niederlage in der Bundesliga kassiert, ein Jahr später wurden sie von Werder Bremen mit dem selben Ergebnis auseinander genommen. An jenem 4. Dezember hatte Volker Finke seine Mannschaft als „nicht konkurrenzfähig“ beurteilt. Mit den Nachverpflichtungen in der Winterpause „schien es so, als ob wir nicht mehr so anfällig sind“, wie Andreas Bornemann sagt. Am späten Mittwochabend ging dem Freiburger Manager dann auch noch durch den Kopf, dass ein Millionenpublikum bei der ARD zuschaute: „Das tut weh.“

Die Augenzeugen im Badenova-Stadion begleiteten die Demontage mit kreativem Zynismus. „Einer geht noch, einer geht noch rein“, riefen die Fans, und, mit Blick auf die Liga: „Bayern, Bayern, oh ist das schön, euch nie mehr zu sehen.“ Trainer Finke bedankte sich später bei den Fans dafür, „dass sie der Mannschaft nicht noch zusätzlich eins drüber gegeben haben“. Verständnis für seine Marschroute aber wird er dennoch nicht erhalten, etwa dafür, die leicht angeschlagenen Richard Golz, Dennis Kruppke oder Dennis Aogo zu schonen und stattdessen Spieler aufzubieten, die dem Druck nicht standhielten wie der junge Torhüter Julian Reinard. Finke hatte das Pokalspiel ganz bewusst einem anderen Ziel untergeordnet: einem Erfolg am Samstag in Mainz. Er erntete dafür wenigstens kollegiales Verständnis vom Münchner Trainer Felix Magath: „Ich hätte das ganz genauso gemacht. Andere habe schon große Spiele gegen Bayern gemacht und dann wochenlang nichts mehr gerissen.“

Wie geht es nun weiter mit Volker Finke und dem SC Freiburg? Unverändert, sagt Klubchef Stocker. „Bild“stellte zwar schon einmal die Trainerfrage („Finke muss sich ernsthaft überlegen, ob er noch der richtige Mann ist“), doch im Klub spielen derartige Überlegungen keine Rolle: „Der Klassenerhalt steht über allem“, sagt Stocker, der jeden Sieg über die Bayern gegen einen einzigen in Mainz eintauschen würde.

Christoph Kieslich[Freiburg]

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