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Sport: Nichts ist mehr unmöglich

Von Hartmut Scherzer Seoul. Wenn er denn aufgestellt oder eingewechselt wird wie zuletzt gegen Italien, dann stürmt ein gebürtiger Frankfurter für Südkorea gegen Deutschland: Du Ri Cha.

Von Hartmut Scherzer

Seoul. Wenn er denn aufgestellt oder eingewechselt wird wie zuletzt gegen Italien, dann stürmt ein gebürtiger Frankfurter für Südkorea gegen Deutschland: Du Ri Cha. Seine Mutter Unmi hat an die Geburt ihres Sohnes am 25. Juli 1980 im Marien-Krankenhaus „wunderschöne Erinnerungen“ und verbindet diese stets noch mit einem anderen bedeutsamen Datum der Familie in jenem Sommer in Frankfurt: „Zwei Monate zuvor, am 21. Mai, hatte mein Mann mit der Eintracht den Uefa-Pokal gewonnen.“ Ein Triumph, den Bum Kun Cha acht Jahre später mit Bayer Leverkusen wiederholte. In 308 Bundesligaspielen zwischen 1978 und 1989 erzielte Cha 98 Tore.

Wie das Leben so spielt: Dass einmal Südkorea und Deutschland in Seoul im Halbfinale der Weltmeisterschaft aufeinander treffen würden und dann auch noch ihr Sohn für sein Vaterland gegen sein Geburtsland spielen könnte, hatten sich die Chas in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Eher schon, dass der Sohn einmal wie der Vater in der deutschen Bundesliga spielen wird. „Das ist auch Du Ris großer Wunsch“, sagt die Mutter. Doch der Vater hat ihm bisher abgeraten, „weil ich denke, dass er noch nicht stark genug für einen Stammplatz in Deutschland ist“. Cha junior spielt für die Universität Korea, läuft die 100 Meter in elf Sekunden, studiert im letzten Semester Medien, will aber den einmal angestrebten Beruf des Journalisten nun nicht mehr ausüben. „Zu unmenschlich“, verrät die Mutter den Grund, seien ihm oft die Kritiken vorgekommen. Das war vor dem WM-Boom.

Bum Kun Cha ist da weniger zimperlich. Der 48-Jährige kommentiert die WM-Spiele im koreanischen Fernsehen und brachte Rudi Völler mit der Feststellung in Rage: „Das Spiel gegen Paraguay war das schlechteste, das ich je von einer deutschen Mannschaft gesehen habe.“ Cha hat eben eine verklärte Vorstellung vom deutschen Fußball. Von den eigenen Landsleuten wird „Asiens Fußballspieler des Jahrhunderts“ immer wieder maßlos überrascht, auf den Rängen und auf dem Platz. „Dieses Publikum ist verrückt. So eine Stimmung habe ich noch nie und nirgends erlebt."

Die Nationalmannschaft, deren Trainer er vor vier Jahren bei der WM in Frankreich war, versetzt ihn von Spiel zu Spiel jedesmal immer wieder in maßloses Erstaunen. Den ersten Sieg bei einer WM und die Runde der letzten Acht hatte Cha den „Reds“ allenfalls zugetraut. Nun stehen die Südkoreaner im Halbfinale gegen den dreimaligen Weltmeister. „Bei dieser Mannschaft ist nun nichts mehr unmöglich. Jedesmal hat sie immer noch mehr gebracht, als ich ihr zugetraut hatte. Sie hat in jedem Spiel immer noch etwas zuzusetzen.“

Wer wird also gewinnen, Korea oder Deutschland? Bei dieser Frage windet sich Bum Kun Cha. „Wer kann das sagen? Ich habe bisher mit meinen Tipps immer falsch gelegen. Bei Frankreich, bei Argentinien, bei England, bei Italien.“ Doch der Patriotismus, auch wenn Deutschland seine zweite Heimat, Deutsch die zweite Muttersprache seiner drei Kinder geworden ist, gebietet ein klares Votum fürs Vaterland: „Korea gewinnt 2:1.“ Auf die Gefahr hin, dass er wieder falsch liegt. Tochter Hana (24), Angestellte der Lufthansa, hatte den Deutschen nicht einmal zugetraut, überhaupt nach Korea zu kommen. Eine Anfrage des DFB, als Dolmetscherin auf Jeju und in Seoul zu arbeiten, hatte sie abgesagt und stattdessen ein Angebot der BBC angenommen.

Chas Kritik am schlechten Spiel gegen Paraguay hat seine hohe Meinung von der deutschen Mannschaft nicht geändert. „Rudi Völler hat eine gute Mischung aus Alt und Jung.“ Die Abwehr findet Cha besonders stark, den Angriff weniger. „Deutschland kann jeden schlagen.“ Auch Korea. Natürlich sei es ein großer Nachteil für die koreanische Mannschaft, dass sie zweimal in die Verlängerung musste und zwischen Achtel- und Halbfinale drei Tage weniger Pause als Deutschland hatte. Eigentlich müssten seine Landsleute müde und mit der Kondition am Ende sein. „Aber wenn sie erst einmal auf dem Platz stehen, weiß man nie, wozu die Spieler noch fähig sind."

Dem neuen Trainer-Helden Guus Hiddink neidet Bum Kun Cha den Erfolg nicht. „Er hat genau das gemacht, was ich immer gefordert habe: den koreanischen Fußball auf europäisches Niveau bringen. Bei mir hat der Verband immer versucht, Einfluss auf meine Entscheidungen zu nehmen. Die europäischen und asiatischen Mentalitäten sind eben sehr verschieden. Ich habe Hiddink bei meinen Fernsehauftritten vor der WM voll unterstützt, als er hier alles umkrempelte. Ich habe immer wieder gesagt: ,Vertraut Hiddink. Er weiß, was er tut.’“

Wie das Leben so spielt: Bum Kun Cha wurde nach der 0:5-Niederlage gegen die Niederlande bei der WM vor vier Jahren in Frankreich auf der Stelle als Nationaltrainer entlassen. Trainer der Holländer: Hiddink.

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