zum Hauptinhalt
Heidfeld

© ddp

Nick Heidfeld: "Ich kann nur im Chaos gewinnen"

Er ist einer jener Formel-1-Fahrer, denen das richtige Auto für einen Sieg fehlt. Nick Heidfeld muss auf die Zukunft hoffen – und auf das Wetter

Herr Heidfeld, wer würde die Formel 1 anführen, wenn alle das gleiche Auto hätten?

Der Mischa.

Michael Schumacher?

Ja, der Mischa – wenn er noch fahren würde (lacht). Nein, keine Ahnung, das kann man so nicht beantworten. Ich fände das wirklich sehr spannend, aber das Szenario ist absolut unrealistisch für die Formel 1. Es wird immer Nuancen geben, die verschieden sind, ob beim Motor oder bei den Reifen.

Von einem Formel-1-Egomanen erwartet man trotzdem eine deutlichere Ansage.

Ich denke schon, dass ich dazu in der Lage wäre. Aber ich bin niemand, der das jetzt groß rausposaunt.

Zumal Sie am Sonntag auf dem Nürburgring nur vom elften Platz starten werden.

Ich hoffe, dass mein Durchbruch in Zukunft passiert.

Diese Hoffnung hat sich für Jenson Button schon erfüllt. Wenn Sie von seinem Brawn überrundet werden, denken Sie sich dann manchmal: Verdammt, hat der ein Glück mit seinem Auto, das könnte auch ich sein?

Natürlich hat er Glück, dass er jetzt im richtigen Auto sitzt, und natürlich denkt man: Da wärste jetzt auch gern. Aber es ist ja nicht nur Glück. Er hat schwere Zeiten durchgemacht und sitzt endlich in einem Auto, in dem er auch mal zeigen kann, was er draufhat. Und er macht einen guten Job.

Dennoch könnten jetzt Sie an seiner Stelle sein: Vor der Saison haben Sie mit Ross Brawn verhandelt.

Ja, und zwar recht intensiv. Dann hat sich Honda als Geldgeber des Teams aber zurückgezogen, und Sie können mir glauben, dass ich zu dem Zeitpunkt froh war, dass wir nicht zusammengekommen sind. Ein paar Monate später habe ich natürlich gedacht: Mist! (lacht)

Nun rast Button allen um die Ohren, während er jahrelang hinterherfuhr. Auch Michael Schumacher hat mit Ross Brawns Wagen seine sieben WM-Titel eingefahren. Wurde er immer überschätzt und hatte nur ein Superauto?

Wie vieles im Leben ist es selten schwarz und weiß. Michael hat bei Benetton mit Ross schon die WM gewonnen und hatte die Weitsicht und die Power, die entscheidenden Leute mit zu Ferrari zu nehmen. Aber wir haben gesehen, dass es auch für Michael das eine oder andere Rennen oder Jahr bei Ferrari mal nicht so lief, da ist er dann auch hinten herumgefahren wie Jenson im letzten Jahr. Und Sebastian Vettel hat keinen schlechten Job gemacht in den letzten Jahren, aber wer hätte erwartet, dass der jetzt drauf und dran ist, um die WM zu fahren? Das zeigt schon, wie wichtig das Auto in der Formel 1 ist.

Manchmal beschleicht einen sogar das Gefühl, Sie sind wie Affen, die in Raketen gesetzt werden, und eigentlich bestimmen die Ingenieure den Sieger.

Niki Lauda hat das mal gesagt, dass auch ein Affe die modernen Formel-1-Autos lenken könnte. Bei einem Test in Valencia hat er sich dann trotz Traktionskontrolle fünfmal gedreht, glaube ich. Ich denke: 100 Prozent Auto, 100 Prozent Fahrer. Es muss zusammenpassen.

Bis heute hat es bei Ihnen nicht gepasst: Sie haben noch kein Rennen gewonnen.

Ich kann das mir gegenüber ganz einfach begründen: Das Auto für einen Sieg war nicht da. In den letzten zehn Jahren waren Ferrari und McLaren immer vorn – wenn du da nicht hingekommen bist, war es immer eine Glückssache, vorherzusagen, wer noch vorn dabei sein könnte. Keiner meiner Teamkollegen konnte in einem identischen Auto einen Sieg feiern, außer Robert Kubica letztes Jahr in Montreal. Und da waren es teamtaktische Gründe, die mich davon abgehalten haben, das Rennen zu gewinnen.

Nun ist das Auto so wichtig – trotzdem dürfen Sie es nicht darauf schieben, wenn es mal schlecht läuft, um Ihren Arbeitgeber nicht zu vergrätzen. Ist das nicht unfair?

Intern kann man schon mal auf den Tisch hauen, solange das konstruktiv ist. Wenn wir uns permanent nicht für den dritten Teil des Qualifyings qualifizieren, ist doch kein Mitarbeiter so blöd zu denken, dass da alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Da wird schon Klartext geredet. Aber nach außen hin muss man schon darauf achten, was man sagt, und sich manchmal ein bisschen zügeln, damit man da nicht was im Affekt von sich gibt.

Wann in dieser Saison haben Sie gemerkt, dass Sie sich mit Bemerkungen über Ihr Auto etwas zügeln müssen?

Nach den ersten paar Rennen. Beim Testen dachten wir noch, wir sind vorn dabei und können unser Ziel, den Titel, in Angriff nehmen. Zum Saisonauftakt haben wir dann gesehen, dass der Speed nicht berauschend war, und sind dann noch weiter nach hinten gefallen, weil wir keine Updates hatten. Da war klar, dass es leider in dieser Saison nichts mehr wird.

Auch nicht mit Ihrem ersten Sieg?

Unter normalen Rennbedingungen würde ich sagen: Nein. Es kann dieses Jahr nur über Chaos oder Wetterbedingungen funktionieren. Der Nürburgring hier wäre prädestiniert gewesen. Na ja, Spa vielleicht noch. Silverstone haben wir ja leider schon hinter uns.

Werden Sie es denn im nächsten Jahr wieder versuchen?

Das ist mein Ziel, klar.

Weiterhin bei BMW-Sauber? Ihr Vertrag läuft aus.

Wir sprechen nicht öffentlich über Vertragsdetails. Aber jetzt kommt man langsam in die Phase, in der man anfängt, miteinander zu sprechen.

– Das Gespräch führte Christian Hönicke.

Nick Heidfeld, 32, fährt seit 2005 für BMW. Mit dem

Rennstall wurde der Formel-1-Pilot

2007 Fünfter in der

Gesamtwertung – es war seine bislang

beste Platzierung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false