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Niederlage in Kopenhagen: Chance genutzt, Chance vertan

Waleri Domowtschiski kann seinen Trainer nicht überzeugen – weil er beim 1:2 in Kopenhagen für Hertha ein Tor zu wenig erzielt.

Es war zum An-den-Kopf-Fassen. Und es war die Geste des Abends bei Hertha BSC. Erst war Waleri Domowtschiski an der Reihe. Da hätte der Bulgare kurz vor Spielende den Ball ins gegnerische Tor stochern können, doch es blieb beim Konjunktiv. Domowtschiski fasste sich mit beiden Händen an die Stirn. Sein Trainer Lucien Favre hatte es ihm schon mehrmals vorgemacht. Es war ja auch zum Verzweifeln, wie der Berliner Bundesligist am Donnerstag im Kopenhagener Vorort Bröndby im ersten Play-off-Spiel der neuen Europa League eine sehr gute Ausgangsposition verspielte. 1:2 verlor Hertha. Dabei hatte es sowohl für die Mannschaft als auch für Waleri Domowtschiski zwischenzeitlich ganz gut ausgesehen.

Endlich einmal hatte der junge bulgarische Angreifer das Glück, über eine Spielstunde seine Fertigkeiten zeigen zu können. In der Bundesliga ist er diese Saison nur zwei Mal sehr spät für Artur Wichniarek eingewechselt worden, am Donnerstag war das Pech des wieder einmal glücklosen Polen die Chance für Domowtschiski. Als Wichniarek wegen seiner Rückenprobleme nicht mehr konnte, kam der Bulgare und hatte einen großen Moment. Nach dem Führungstreffer der Dänen köpfte er wenig später das 1:1. Doch dann vergab er kurz darauf allein vorm Tor kläglich die Chance, die Berliner in Führung zu bringen. Es war eine der Szenen, die Favre in Rage geschaukelt hatten. Nach dem Spiel war die Freude über denTreffer von Domowtschiski durch die vergebenen Chancen weit zurückgedrängt worden. Favre sagte: „Domowtschiski hat ein wichtiges Tor gemacht, aber er hat die Möglichkeit, das 2:1 zu machen. Doch er trifft nicht, und lässt dann auch noch seinen Kopf hängen.“ Das sei fatal für einen Stürmer. „Er muss lernen, mit solchen Situationen umzugehen, das gehört zum Fußball dazu. Er muss weitermachen.“

Michael Preetz redete so, als habe er sich mit Favre abgesprochen. Auch Herthas Manager war verärgert darüber, dass Domowtschiski eine Chance der Marke „Den muss man machen“ vergeben hatte. Selbst Kapitän Arne Friedrich, sonst Meister des übervorsichtigen Zitats, sagte: „Schade, dass Waleri das zweite Tor nicht gemacht hat.“ Es war so, als tadelten sie den 23 Jahre alten Bulgaren wie einen Schüler, der in seinem Übereifer sein Potenzial nicht hatte ausnutzen können. Dabei war Domowtschiski nicht der Alleinschuldige an der Niederlage, die Hertha trotzdem noch alle Chancen lässt. Schon ein 1:0 gegen Bröndbys eifrige, aber spielerisch und taktisch nicht überragende Mannschaft würde Hertha am Donnerstag im Rückspiel im Jahn-Sportpark zum Einzug in die Gruppenphase genügen.

Vielleicht war Hertha zu sehr vom Temperament der Dänen überrascht. „Es war unglaublich, welch gute Stimmung die Fans hier gemacht haben“, sagte Arne Friedrich. Die Lautstärke im Stadion war tatsächlich enorm, zumal es mit 12 000 Besuchern nur zu einem Drittel gefüllt war. Aber die Dänen kämpften eben auch um ihren Stolz. So wurde Herthas Trainer nach dem Spiel gleich mehrmals gefragt, ob er nicht überrascht von Bröndbys starkem Auftritt gewesen sei. Favre war es nicht. Er habe gewusst, dass die Dänen „schnellen Fußball spielen können“. Der Trainer interessierte sich aber mehr für die Unzulänglichkeiten seiner eigenen Mannschaft. „Wir machen noch zu viele Fehler, stehen zu tief in der Abwehr“, sagte er und seufzte. Es ließen sich noch einige Mängel hinzufügen: Die Berliner sind so etwas wie der spielende Konjunktiv. Es fehlt an Konsequenz und Cleverness.

Waleri Domowtschiski etwa pumpte in der Schlussphase gegen Bröndby seine ganze Kraft in den Ball, um ihn gegen die Werbebande zu dreschen. Dafür sah er die Gelbe Karte, was seinen zwischenzeitlich vielversprechenden Auftritt unschön abrundete. Nach dem Spiel schien es so, als wollte sich Domowtschiski das Lob, das der Trainer ihm verweigerte, von den Fans abholen. Er sprang als Erster über die Bande, um die Reihen der Fans abzuschreiten. Aber während seine Kollegen ihre Trikots in der Kurve ließen, wollte Domowtschiski sein Hemd nicht hergeben.

Für den Geschmack seines Trainers hat der Bulgare in Dänemark nicht genug gegeben: Artur Wichniarek fällt wegen seiner Blockade im Rücken auch am Sonntag beim Bundesligaspiel in Bochum definitiv aus. Eigentlich bleibt Favre also gar nichts anderes übrig, als seinen Edeljoker Domowtschiski zum ersten Mal in anderthalb Jahren in Berlin von Anfang an aufzubieten. „Das weiß ich noch nicht“, sagte Herthas Trainer. „Man muss nicht zwingend mit zwei Stürmern spielen.“

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