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Sport: Noch einer ohne Fahrschein

Im Dopingskandal bleiben die Konsequenzen aus – außer für Jan Ullrich

Berlin - Im Trainingslager ist Jan Ullrich noch nicht. Ob und wie er sich zu Hause fit hält, ob er sich in seiner Höhendruckkammer im Keller auf sein Comeback vorbereitet oder auf der Straße Kondition aufbauen will, ist nicht bekannt. Aber Ullrich will in der nächsten Saison wieder Radrennen fahren. So viel ist sicher, und es ist fast das Einzige, was derzeit sicher ist.

Die Frage ist, ob Ullrich ebenso die Chance dazu erhält wie all die anderen Fahrer, die auf den Listen der spanischen Ermittler der „Operacion Puerto“ stehen und trotzdem von ihren nationalen Verbänden in den letzten Tagen und Wochen das Recht zugesprochen bekommen haben, wieder in die Pedale zu treten. Oder ob Ullrich ein skurriler Sonderfall werden wird. Er wäre dann am eigentlichen Skandal, der abzusehende Straffreiheit für die meisten Beteiligten im wohl größten Dopingskandal der Radsportgeschichte, nicht beteiligt. Weil er dann fast als Einziger doch bestraft werden würde.

„Wenn beispielsweise Ivan Basso im nächsten Jahr eine Lizenz und einen Vertrag bei einem Pro-Tour-Team bekommt, ist er für uns ein ganz normaler Fahrer“, sagt Enrico Carpani, der Sprecher des Weltverbandes UCI. „Wir haben nichts gegen ihn in der Hand.“

Es sieht so aus, als ob die kurz vor der Tour de France bekannt gewordenen Ermittlungsergebnisse über den Dopingring um den Mediziner Eufemiano Fuentes keine großen Konsequenzen haben werden. Ullrich, Basso und sieben weitere Fahrer waren von der Tour ausgeschlossen worden, insgesamt stehen mehr als fünfzig Namen in den Akten der Guardia Civil.

Fast alle haben sich in den letzten Wochen vom zuständigen Gericht in Madrid bestätigen lassen, dass sie keine Beschuldigten in dem laufenden Verfahren sind. Ein Anti-Doping-Gesetz existierte in Spanien in diesem Sommer noch nicht, die Justiz ermittelt nur gegen die Drahtzieher wegen hilfsweise herangezogener Tatbestände wie „Gefährdung der öffentlichen Gesundheit“. Und sperrte zudem die Verwendung der Akten für alle Instanzen der Sportgerichte. „Wir haben Einspruch eingelegt. Die Begründung dafür, warum wir die Ergebnisse nicht verwenden dürfen, ist nicht klar“, sagt Enrico Carpani.

Der italienische Verband und das Nationale Olympische Komitee haben Basso die Starterlaubnis gegeben. Vorerst, falls sich nicht weitere Erkenntnisse ergeben. Genauso ist es in Spanien, wo dreißig Profis wieder aufs Rad steigen dürfen. Was ist nun anders bei Jan Ullrich, warum ist er von allen in die „Operacion Puerto“ verwickelten Fahrern am weitesten entfernt von einer Profi-Lizenz, mit der er starten dürfte?

Der für Ullrich wegen seines Wohnsitzes Scherzingen zuständige Schweizer Verband hat sein Verfahren nicht eingestellt, sondern das „Dossier zum ,Fall Jan Ullrich’“ weitergegeben an die Fachkommission des Dachverbandes „Swiss Olympic“. Das Verfahren hat dort den Status einer Voruntersuchung, von einer Sperrung des Dossiers ist dort nichts bekannt. Ohnehin ist das Verfahren kompliziert: Da es keine positive Dopingprobe von Ullrich gibt, handelt es sich um den ersten Dopingprozess in der Schweiz, der sich auf Indizien gründet. Ullrich ist aus dem Verband ausgetreten und zweifelt an dessen Zuständigkeit. Trotzdem droht ihm eine Strafe, zumindest, was Doping in der Vergangenheit betrifft.

Alle 20 Mannschaften der Pro Tour haben sich verpflichtet, des Dopings verdächtigte Fahrer nicht zu beschäftigen – ob Ullrich und Basso dabei derzeit als gleich stark verdächtig eingestuft werden, ist aber unklar. Dazu kommt die Verpflichtung für die Profis, ein DNS-Profil abzugeben. Und da liegt das zweite große Problem des Jan Ullrich neben seiner Zugehörigkeit zum schweizerischen Verband. Würde er ein solches Profil, dem er sich bisher verweigert hat, abgeben, könnte damit auch geklärt werden, ob in den bei einer Razzia in Spanien mit der Aufschrift „JAN“ sichergestellten Beuteln sein Blut ist.

Die Fahrergewerkschaft ist gegen solche Profile. „Unsere persönliche Freiheit ist bedroht“, sagte etwa Weltmeister Paolo Bettini der „Gazzetta dello Sport“. Er meinte das Recht auf den Schutz seiner individuellen Daten.

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