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Ludwig Hartmann, 35, ist Abgeordneter der Grünen im bayerischen Landtag. Er ist Gründer des Netzwerkes "NOlympia", das eine erneute Münchner Olympia-Bewerbung verhindert hat.

© dpa

NOlympia-Gründer Hartmann: "Berlin muss die Bürger fragen"

NOlympia-Gründer Ludwig Hartmann spricht im Tagesspiegel-Interview über die Chancen für Olympia in Deutschland und was Klaus Wowereit machen müsste, um die Berliner von Sommerspielen in ihrer Stadt zu überzeugen.

Herr Hartmann, nach den Spielen ist vor den Spielen: Der Regierende Bürgermeistern Klaus Wowereit hält Berlin nun für eine gute Wahl für Sommerspiele, sehen Sie das genauso?

Die Bürger in München haben nicht gegen den Sport gestimmt, sondern sie haben gegen die Bedingungen des IOCs gestimmt. Dagegen, dass man sich auf die Gewinne Steuerfreiheit garantieren lässt in den Ländern, in denen man die Spiele ausrichtet. Dagegen, dass man die Spiele immer mehr der Profitgier untergeordnet hat. Das ist bei den IOC-Sommerspielen genauso. Ich würde deshalb bezweifeln, dass man dafür eine Mehrheit bei den Bürgern bekommen kann.

Manche Sportfunktionäre scheinen das noch nicht verstanden zu haben.

Ja, man spürt deutlich: Die wollen das noch nicht wahrhaben. Die Bürgerinnen und Bürger haben gegen die Profitgier und die klassischen Sportlobbyisten gestimmt, die immer und immer wieder versucht haben klarzumachen, dass man durch die Olympischen Spiele einen Imagegewinn hätte – die Welt schaut zu, und es kostet sogar nichts. Doch für die Bürger in München hätte ein Imagegewinn auch höhere Mieten bedeutet – das haben sie gesehen.

Der Präsident des Berliner Landessportbundes, Klaus Böger glaubt, dass es sich nur reiche Städte leisten könnten, auf Olympische Spiele zu verzichten. Ist München zu reich?

Ich würde es eher umdrehen, und sagen, man muss schon eine verdammt reiche Stadt sein, wenn man sich Olympische Spiele leisten will. London 2012 hat mit einer Kostenschätzung von drei Milliarden angefangen und lag dann offiziell bei 11,1 Milliarden. Da kann ich mir bei Berlin nicht gerade vorstellen, wie die Stadt das umsetzen will. Die hat erstmal genug Probleme mit ihrem Großflughafen.

Vielleicht würden die Berliner ganz anders abstimmen als die Münchner?

Ich kann es mir nicht vorstellen.

Man muss ja als Olympiabefürworter den Verbänden fast empfehlen, keine Bürgerbefragung durchzuführen, weil eine Mehrheit schwer zu bekommen ist.

In bayerischen Kommunen ist es relativ einfach eine bindende Bürgerbefragung durchzusetzen, dieses Instrument ist Gott sei Dank bei uns drin. Wir hatten ja beim letzten Mal in Garmisch-Partenkirchen auch eine Bürgerbefragung durchgesetzt, gegen den Willen der Befürworter. Damals waren wir noch knapp unterlegen. Ich kenne jetzt nicht die rechtlichen Möglichkeiten in Berlin, aber gab es dort nicht auch gerade erst ein Bürgerbegehren zum Stromnetz …?

Hartmann über IOC-Chef Bach: "Ziemlich enttäuschend"

Es gibt dieses Instrument in Berlin.

Wenn es die Möglichkeit gibt, müssten die Regierenden eigentlich eine Bürgerbefragung vorschalten. Weil sie genau wissen: Wenn sie es nicht machen, dann werden die Bürger eine Abstimmung erzwingen. Ob das dann der bessere Weg ist, wenn man in eine Abstimmung gezwungen wird, die man selbst nicht wagt vorzuschlagen, möchte ich bei einem Projekt in dieser Größenordnung bezweifeln.

Was muss Klaus Wowereit machen, um die Berliner von Olympischen Sommerspielen zu überzeugen?

Die Verantwortlichen in Sport und Politik müssen glaubhaft begründen können, was der nachhaltige Mehrwert eines solchen Projektes ist. Und sie müssten hinbekommen, dass die Verträge mit dem IOC auf Augenhöhe ausgehandelt werden. Wie Vertragspartner, die gemeinsam eine Firma gründen wollen und sich einigen müssen: Wie wird der Verlust aufgeteilt, wenn es schief geht, und wie wird der Profit aufgeteilt, wenn Geld verdient wird. Aber eigentlich liegt jetzt der Ball beim IOC, mit seinem deutschen Präsidenten an der Spitze.

Thomas Bach will sich bisher nicht dazu äußern.

Das finde ich ziemlich enttäuschend. Nachdem Thomas Bach die letzte Bewerbung massiv vorangetrieben hat, ist es schwach, dass er sich jetzt nicht äußert. Auch dass er in Deckung geht beim Thema Steuerfreiheit, zeigt: Die haben wirklich ein Problem, wie man diesen Vorgang argumentativ unterfüttern kann.

Mit dieser Grundsatzkritik müssten Sie auch gegen eine Bewerbung für die Fußball-EM 2024 sein. Die Fußballverbände sind auch nicht gerade für Ihre Barmherzigkeit bekannt.

Interessant ist, was in Brasilien passiert. Dort wird gerade gegen den Vertrag für die Fußball-WM 2014 geklagt. Da steht im Raum, ob die Fifa 400 Millionen an das Land zahlen muss, weil sie für bestimmte Kosten aufkommen muss, die sie sich nachträglich aus dem Vertrag hat rausstreichen lassen. Wenn Brasilien damit Erfolg hat, glaube ich, ist kaum ein Land bereit, die WM auszurichten, ohne bei den Verträgen nachzubessern. Aber das ist eine Entwicklung, die gerade erst beginnt.

Für Sie ist es auch ein persönlicher Erfolg. Wechseln Sie demnächst auf die Bundesebene, um weitere Olympiabewerbungen zu verhindern?

Ich bin ganz froh, dass die Bürger unsere Arbeit im Bündnis NOlympia honoriert haben und das Thema politisch in Bayern beendet ist. Wir würden aber selbstverständlich den Menschen vor Ort mit Informationen sofort zur Verfügung stehen.

Das Gespräch führte Benedikt Voigt.

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