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Frank Willmanns "Kassiber aus der Gummizelle" ist im Verlag DIE WERKSTATT erschienen.

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Nominierung zum Fußballbuch des Jahres: Philipp Köster rezensiert Frank Willmanns "Kassiber aus der Gummizelle"

Unser Kolumnist Frank Willmann hat mit "Kassiber aus der Gummizelle" vielleicht das Fußballbuch des Jahres geschrieben. Eine Rezension von 11-Freunde-Chefredakteur Philipp Köster.

Um zu beschreiben, was Frank Willmann für ein Autor ist, muss man vielleicht kurz an eine 11Freunde-Festivität erinnern, auf der Willmann vor ein paar Jahren zu Gast war. Zu vorgerückter Stunde war schon mächtig Alkohol konsumiert worden und viele drängten zum Aufbruch. Auch Willmann war abmarschbereit, aber verabschiedete sich vorher noch von einigen Mitarbeitern – jeweils mit einem durchaus herzlich gemeinten Kopfstoß.

So wie Willmanns Verabschiedungsrituale sind auch seine Texte. Herzlich, brachial, bisweilen von gebrochener Schönheit und immer mitten auf die Zwölf. Wer diese Kombination für schwierig herzustellen hält, muss sein Buch „Kassiber aus der Gummizelle“ lesen, in dem Willmann die besten seiner Texte aus den letzten Jahren versammelt und in denen vor allem ostdeutsche Fußballzustände beschreibt.

Nun muss man dazu wissen, dass Willmann, seit jeher Fan des ruhmreichen FC Carl Zeiss Jena, der wohl herausragendste Chronist der Fanszene der untergegangenen DDR-Oberliga ist. Insbesondere sein Buch „Stadionpartisanen“ hat durch seine O-Ton-Protokolle viel vom nostalgischen Staub weggeblasen und den Blick geöffnet für eine vielschichtige Szene, in der Spaß, Fußball, Raufereien, Protest gegen die Enge der DDR-Diktatur und natürlich Alkohol eine flirrende, brüchige Jugendkultur schufen.

Schriftsteller Frank Willmann ist auch Mitglied der Deutschen Autorennationalmannschaft.
Schriftsteller Frank Willmann ist auch Mitglied der Deutschen Autorennationalmannschaft.

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„Kassiber in der Gummizelle“ wagt nun viel. Willmann verknüpft kunstvoll die Mythen der Vergangenheit mit der oftmaligen Tristesse von heute. Schön ist das in der Geschichte über Stahl Brandenburg zu sehen, wo die Stahlarbeiter aus dem nahen Werk beim Fußball Entspannung suchten und es dabei mit der Einhaltung von Dienstplänen nicht allzu Ernst nahmen. „Der Kollege Fleischhauer bitte schleunigst zur Schicht“ musste der Stadionsprecher dann die Werktätigen in die Pflicht nehmen. Im Mai 2014 ist nichts mehr übrig vom lodernden Stahlfeuer. „Gespensterparade“ notiert Willmann und erzählt mitfühlend von den wenigen verbliebenen Anhängern, die nicht aufhören wollen, von Spitzenfußball in Brandenburg zu träumen.

Willmann ist seit jeher Fan des FC Carl Zeiss Jena

Auch andere gefallene Größen besucht Willmann, wagt sich aber auf seine sehr spezielle Art und Weise auch an die großen Themen des Weltfußballs. Die Demission von Carles Puyol ist ihm ein wehmütiger Abschiedsbrief wert. Die Bayern bekommen bei Willmann endlich mal nicht auf stumpfe, sondern auf höchst amüsante Weise ihr Fett weg.

Und dass er auch gerne dahin geht, wo es weh tut, zeigt sein Reisebericht aus Belgrad, wo er dem unversöhnlichen Hass in Europas unversöhnlichster Fußballstadt nachspürt. Es ist ein Buch, das im Fußball immer noch das sieht, was er vielleicht einmal war, nämlich wochenendliche Freude der Werktätigen.  Und dass ohne ein einziges Mal klebrig und nostalgisch zu werden. Das ist eine hohe Kunst – so wie ein sorgfältig ausgeführter Kopfstoß  zur Verabschiedung. 

Das Buch "Kassiber aus der Gummizelle" ist für die Auszeichnung "Fußballbuch 2015" der Akademie für Fußball-Kultur nominiert worden. Viele der Geschichten sind bei Tagesspiegel.de unter dem wöchentlichen Titel "Willmanns Kolumne" erschienen.

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