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Sport: Norddeutscher Meister

Hamburg hängt Bremen ab, will die Bayern aber noch nicht herausfordern

Von Karsten Doneck, dpa

Der Ball befand sich im Bereich der Mittellinie. Er war hart umkämpft, aber trotzdem außerhalb aller Gefahrenzonen. Dennoch brandete plötzlich auf der Tribüne hinter HSV-Schlussmann Sascha Kirschstein Torjubel auf. Ausgelöst wurde er von den etwa 5000 Fans aus Hamburg, die nach Wolfsburg gereist waren. Ausschlaggebend für diesen Freudenausbruch in der 40. Minute war ein auf der Anzeigentafel eingeblendetes Zwischenresultat von einem anderen Bundesliga-Schauplatz: Der 1. FC Nürnberg hatte gerade gegen Werder Bremen das 2:0 erzielt. Der Torjubel der HSV-Fans mündete übergangslos in ein Lied. Voller Inbrunst schmetterten sie: „Die Nummer 1 im Norden sind wir.“ Immer wieder nur diese eine Textzeile, die erahnen ließ, wie sehr die Anhänger des Hamburger SV darunter gelitten haben müssen, dass der ungeliebte Rivale aus Bremen in den vergangenen Jahren eindeutig erfolgreicher Fußball spielte.

Die erste Kraft im Norden ist derzeit wieder der HSV. Werder hat in Nürnberg 1:3 verloren, Hamburg in Wolfsburg 1:0 gewonnen und nunmehr sechs Punkte Vorsprung auf Bremen. Die Frage ist nun, ob der Tabellenzweite der Bundesliga sich mit der Vorherrschaft in einer überschaubaren Region zufrieden gibt. Nach dem Ausscheiden aus dem Uefa-Pokal am vergangenen Mittwoch gegen Rapid Bukarest haben sie beim HSV zunächst einmal die offizielle Sprachregelung korrigiert oder zumindest konkretisiert. Trainer Thomas Doll hatte als Saisonziel zuvor lediglich immer „das Erreichen eines europäischen Wettbewerbs“ ausgegeben. Nach dem 3:1-Sieg über Bukarest, der nach dem 0:2 im Hinspiel einer Niederlage gleichkam, verkündete Doll: „Wir sind bereit, den Kampf um die Champions-League-Plätze anzunehmen.“ Und auch HSV-Präsident Bernd Hoffmann erhöhte den Druck auf die Mannschaft. „Wir haben jetzt in der Bundesliga noch neun Endspiele“, sagte Hoffmann.

Das erste dieser Endspiele hat der HSV mit einer abgeklärten, sachlichen Vorstellung, gekrönt durch das Siegtor von Benjamin Lauth, beim VfL Wolfsburg gewonnen. Diese Abgeklärtheit würde die Hamburger dazu berechtigen, auch dem FC Bayern, der am Abend gegen Schalke spielte (nach Redaktionsschluss), den Kampf anzusagen. Thomas Doll sperrt sich dagegen. „Wir können doch nicht in einer Woche so viele neue Ziele ausgeben“, sagt er. Dass sein Verein von außen unter Erfolgsdruck gesetzt wird, spürt auch der Trainer. „Dass sich viele Menschen freuen, wenn es in der Bundesliga wieder spannender zugeht, ist doch klar.“

Auch wenn Quervergleiche selten Aufschluss bringen, ist es doch bemerkenswert, dass Schalke 04 und Bayern München in Wolfsburg nur jeweils ein torloses Unentschieden erreicht haben, während Hamburg wenigstens dieses eine Tor erzielte. Die Abwehr der Hamburger präsentierte sich dabei so gefestigt wie in der Hinrunde. Dort stimmt auch das Sozialverhalten. Flüchtigkeitsfehler, wie sie zum Beispiel Verteidiger Atouba bei all seiner Kunstfertigkeit im Umgang mit dem Ball häufiger mal unterlaufen, bügelt der Rest um Abwehrchef Daniel van Buyten aus. Im Mittelfeld ist nach langer Verletzungspause Rafael van der Vaart zwar noch längst nicht wieder der Alte, aber seine Rückkehr dient der Mannschaft als moralische Stärkung. Und im Angriff wird nicht nur Sergej Barbarez nach einem kräftigen Zwischentief allmählich wieder wirkungsvoller, auch Benjamin Lauth findet zur Torgefährlichkeit zurück. „Benny kriegt jetzt Konstanz in sein Spiel“, lobt Doll. Und er hofft: „Vielleicht ist er ja gerade noch rechtzeitig in Form gekommen.“ Gerade noch rechtzeitig, um dem FC Bayern mit seinen Toren die Meisterschaft doch noch streitig zu machen?

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