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Sport: Nordische Ski-WM in Lahti: Nicht Suppenhühner, sondern Adler

Reinhard Heß hat wieder einmal alles richtig gemacht. In Lathi erzwang der Medaillen-Schmied aus Suhl mit zuvor verunsicherten und von einigen bereits als Suppenhühner verspotteten deutschen Adlern wieder die Lufthoheit über den Schanzen.

Reinhard Heß hat wieder einmal alles richtig gemacht. In Lathi erzwang der Medaillen-Schmied aus Suhl mit zuvor verunsicherten und von einigen bereits als Suppenhühner verspotteten deutschen Adlern wieder die Lufthoheit über den Schanzen. "Es ist schön zu sehen, dass man als Trainer nicht so viele Fehler gemacht hat", blieb der nach den WM-Triumphen goldblond gefärbte Thüringer bescheiden - und verordnete seinen Fliegern eine Disco-Feier bis zum Abwinken. Insgesamt 15 Medaillen - fünf Mal Gold und sechs Mal Silber sowie vier Mal Bronze - haben die Springer bei internationalen Titelkämpfen gewonnen, seit Heß nach der WM 1993 die Mannschaft übernahm. Inbegriffen die Bronzemedaille im Mannschafts-Wettbewerb von der Normalschanze zum gestrigen Abschluss der Welttitelkämpfe. Die Deutschen mussten sich dabei mit 911,5 Punkten lediglich Österreich (953,5) und Gastgeber Finnland (951,5) geschlagen geben.

Damit wurden die DSV-Springer wieder das erfolgreichste WM-Team. An die Bilanz mit den zwei erfolgreichen Titelverteidigungen durch Martin Schmitt (Furtwangen) am vergangenen Montag und dem überlegenen Mannschafts-Triumph mit Schmitt, Sven Hannawald (Hinterzarten), Michael Uhrmann (Rastbüchl) und Alexander Herr (Schonach-Rohrhardsberg) kam keine andere Vertretung mehr heran. Dazu kam noch die Silbermedaille Schmitts auf der Normalschanze.

"Die Wende ist uns in Lillehammer gelungen, als wir uns ein paar Tage in Ruhe und Abgeschiedenheit auf die WM vorbereiten konnten. Dort habe ich die Jungs ganz anders als zuvor beim Weltcup in Willingen erlebt", erklärte Heß. Da habe er auch erstmals wieder den alten Teamgeist gespürt. "Der ist in einer Disziplin besonders wichtig, wo jeder gegen jeden kämpft und es keine echten Freundschaften mehr gibt", beschreibt Heß die Springer-Szene. Deshalb hatte er seinem Team von Individualisten am Abend vor der Mannschafts-Titelverteidigung auch eine gemeinsame Aufgabe vorgegeben.

"Die ganze Truppe muss Sven Hannawald aufrichten. Er ist nach dem Ausscheiden auf der kleinen Schanze unser Sorgenkind. Wie das die Truppe macht, ist mir egal, entweder mit Streicheleinheiten oder mit einem Tritt in den Arsch", nahm er seine Schützlinge gewohnt drastisch in die Verantwortung. Das Team verabreichte Streicheleinheiten, und Hannawald war am Sonnabend ein Sieg-Garant. Als Startspringer war er in beiden Durchgängen Bester der ersten Gruppe und brachte die Konkurrenz in Zugzwang. Auch am Sonntag war er entscheidend am Medaillengewinn beteiligt.

"Entscheidend für den Sieg war jedoch der Kampfgeist. Ich habe selten eine Mannschaft so um jeden Meter fighten sehen. Selbst bei nicht so guten Sprüngen - und davon hatten wir einige - hat jeder noch ein paar Meter geschunden. Jeder hat für den anderen gekämpft, die vier haben sich als echte Mannschaft präsentiert. Darauf bin ich Stolz", lobte der dienstälteste Skisprung-Auswahltrainer der Welt.

Nicht kalt gelassen haben den 55-jährigen Thüringer die Kritiken vor der WM an seiner Trainings-Konzeption. "Letztendlich hat sich in Lahti meine Auffassung von Trainings-Methodik und Betreuung von Athleten bestätigt", betonte er mit Genugtuung. Allerdings kann auch er die letzten Geheimnisse des Skispringens nicht lüften. "In den 32 Jahren als Trainer musste ich immer wieder feststellen: Es gibt Dinge beim Skispringen, die sind nicht erklärbar", gibt Heß freimütig zu. Dessen Vertrag beim Deutschen Skiverband läuft 2003 aus, der DSV möchte ihn am liebsten mit einen Rentenvertrag an sich binden.

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