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Alexander Stöckl konnte sich über den WM-Sieg der norwegischen Mannschaft freuen.

© dpa

Norwegens Trainer Alexander Stöckl über die Skiflug-WM: "Die Athleten müssen einen offensiven Sprungstil haben"

Nationaltrainer Alexander Stöckl spricht über die Erfolge der Norweger bei der Skiflug-WM, deren besondere Sprungkultur und den schweren Sturz von Lukas Müller.

Von Johannes Nedo

Herr Stöckl, die Skiflug-WM am Wochenende hätte für Ihr norwegisches Team kaum besser laufen können, oder?

Wir sind überglücklich mit den Erfolgen. Kenneth Gangnes hat wohl im Einzelwettbewerb seine bislang besten Flüge gezeigt und Silber geholt – nur knapp hinter Peter Prevc. Im Teamwettbewerb war die Leistung jedes einzelnen phänomenal, wenn man bedenkt wie anstrengend es mit den Wetterbedingungen an allen Tagen war. Unsere Athleten haben als einzige Mannschaft acht gute Sprünge gezeigt und verdient gewonnen.

Der schwere Sturz des österreichischen Vorspringers Lukas Müller, der nun querschnittsgelähmt ist, hat die WM überschattet. Auch zwei Ihrer Athleten, Gangnes und Johann Andre Forfang, waren am Samstag gestürzt.

Lukas’ Sturz und die Folgen sind unglaublich tragisch und traurig. Wir üben einen Sport mit sehr hohem Risiko aus, leider. Jeder weiß das. Gangnes und Forfang haben die Stürze bei der Landung dank der Arbeit unseres Therapeuten gut weggesteckt und sind deshalb beide beim Teamwettbewerb wieder angetreten.

Ihre Athleten lassen sich offenbar von nichts stoppen in dieser Saison. Warum überzeugen die Norweger so geschlossen als Team?

Ehrlich gesagt, für mich ist das auch etwas überraschend. Ein Grund für die starken Leistungen ist aber, dass wir systematisch daran gearbeitet haben, die jüngeren Athleten besser auszubilden. Der langfristige Gedanke ist jetzt stärker ausgeprägt. Bisher war es in Norwegen so: Die Athleten sollten möglichst schnell möglichst gut springen und schnell nach oben kommen. Nun geben wir ihnen mehr Zeit sich zu entwickeln, physisch und psychisch. Deshalb haben wir auch einen B-Kader eingeführt. So können mehr Athleten vom Verband gefördert werden und bekommen eine bessere Betreuung. In Deutschland und Österreich ist das normal, in Norwegen gab es das bisher nicht. Und das zahlt sich jetzt aus: Denn viele Athleten, die jetzt vorne sind, kommen aus der B-Gruppe.

Dabei mussten sie einen großen Umbruch verkraften. Leistungsträger wie Anders Bardal und Anders Jacobsen haben ihre Karrieren beendet.

Natürlich vermissen wir diese tollen Athleten auch, aber ihr Karriereende hat den jungen Springern ebenfalls neue Freiräume und zusätzliche Motivation gegeben. Was uns zudem auszeichnet, ist der gute Teamgeist. Der Verband setzt bei den Skispringern besonders auf drei große Werte: Respekt, Freude und Bescheidenheit. So ist eine besondere Kultur entstanden. Und so freuen sich die Athleten wirklich über die Erfolge der anderen.

Besonders Gangnes ist in einer bestechenden Form. Was zeichnet ihn aus?

Er hatte zuletzt lange mit schweren Verletzungen zu kämpfen - überhaupt nach zwei Kreuzbandrissen zurückzukommen, ist eine irrsinnige Leistung. Er hat einen ungemeinen Willen und zeigt eine große Dankbarkeit, dass er es wieder geschafft hat - das macht ihn derzeit so stark. Besonders ist mir in diesem Zusammenhang eine Szene im Gedächtnis geblieben: Als Kenneth beim Sommer-Grandprix es zum ersten Mal nach der langen Leidenszeit als Dritter wieder auf das Podium geschafft hat, hat er sich über diesen dritten Platz so gefreut. Ich hatte zuvor noch nie einen Springer gesehen, der sich so über einen Rang drei beim Sommer-Grandprix gefreut hat.

Aber auch mit ihrem aggressiven Sprungstil gehören die Norweger zur Weltspitze.

So einen offensiven Sprungstil müssen Athleten derzeit einfach haben. Und man muss ihn laufend anpassen können. Da sind wir jetzt sehr flexibel geworden. Es ist umso wichtiger, eine offene Kultur zu etablieren. Und da ziehen alle mit. Alle sind willig, Dinge zu probieren und selbst Neues zu versuchen - und nicht erst zu warten, was die anderen machen. So war es zum Beispiel auch beim Material. Wir haben lange gemeinsam diskutiert und dann haben wir es ausprobiert.

Beim Material wurde vor allem bei den Anzügen aus Sicht der Österreicher zuletzt viel über die Norweger gemunkelt. Immer wieder wurde auf die sieben Disqualifikationen zu Beginn der Saison angespielt, als die Anzüge einiger Norweger nicht den Vorgaben entsprachen.

Solche Diskussionen sind doch normal. Sie sind Teil des Spiels, um gute Athleten zu verunsichern. Es ist leicht, alles auf das Material zu schieben. Wir sind darum auch keinem böse. Wir haben unseren Anzug gefunden. Es gab bei uns schon lange keine Disqualifikationen mehr, deshalb muss man darüber auch gar nicht groß reden. Zu einer guten Leistung im Skispringen und Skifliegen gehören hunderte Elemente, da konzentriere ich mich auch als Trainer lieber auf all die anderen Aspekte.

Welche sind das besonders? Was reizt Sie am meisten an Ihrer Aufgabe?

Ich arbeite immer wieder mit neuen Athleten, mit neuen Typen zusammen. Es gibt nie Wiederholungen, sondern immer wieder neue Situationen. Diese individuelle Arbeit ist irrsinnig spannend: Es zu schaffen, dass jeder Athlet das Beste aus sich herausholt.

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