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Sport: Notgemeinschaft Union

Trainer Georgi Wassilew darf trotz der 0:7-Pleite in Köln und der Schelte seines Präsidenten weitermachen

Von Karsten Doneck

und Lorenz Maroldt

Berlin. Sie gingen nebeneinander her durch die Gänge im Rhein-Energie-Stadion zu Köln, sprachen aber kein Wort miteinander: Georgi Wassilew, Trainer des 1. FC Union, und Präsident Heiner Bertram konnten nicht verbergen, dass sie spätestens jetzt mehr trennt als verbindet. Nach dem Spiel zehn Tage zuvor gegen Greuther Fürth (2:2) hatten die Union-Fans Wassilew noch so sehr gefeiert, dass der vor Rührung feuchte Augen bekam. Am Montagabend aber lief er schon gar nicht mehr in die Nordkurve des Kölnner Stadions, wo über tausend Union- Fans trotz des 0:7-Debakels beim 1. FC Köln ihre Mannschaft verabschieden wollten. Immerhin machte sich Bertram auf den Weg dorthin, klatschte schon von weitem mit über den Kopf erhobenen Händen, reckte schließlich einen Daumen in den feuchtkalten Kölner Nachthimmel. Bertram weiß: Auf diese Fans kann er weiter setzen; auf Wassilew nicht mehr.

Und doch haben sich beide Seiten vorerst zusammengerauft. Zu einer Art Notgemeinschaft Union. Gleich nach der knapp fünfstündigen Rückfahrt mit dem ICE aus Köln trafen sich gestern Mannschaft, Trainerstab und Präsidium in der Kabine des Stadions Alte Försterei zur Aussprache. Und als sich die Profis Steffen Menze und Steffen Baumgart dazu bekannten, dass Union in Köln nicht als geschlossene Mannschaft aufgetreten war und natürlich Besserung gelobten, da gab es wieder eine heile Welt rund um die Alte Försterei. Und Wassilew durfte sogar seinen schon vorher angemeldeten und auch genehmigten dreitägigen Urlaub antreten.

Die Ruhe täuscht. Dass in Köln der vom Karlsruher SC beurlaubte Trainer Stefan Kuntz ein paar Worte mit Bertram gewechselt hatte, wurde noch als „üblich in der Branche“ (Pressesprecher Lars Töffling) abgetan. Dennoch wird weiter über mögliche Wassilew-Nachfolger diskutiert, wann auch immer die Trainerbank frei wird. Neu im Gespräch ist bei Union Horst Ehrmantraut, derzeit beim 1. FC Saarbrücken beschäftigt.

Im Internet, auf der Homepage von Union, entschuldigte sich Bertram am Dienstag bei den Fans in einem Offenen Brief für die, wie er schrieb, „Katastrophe“ von Köln. Und er versprach den Anhängern auch in Zukunft besonnenes Handeln in der momentan wohl brennendsten Angelegenheit des Klubs. „In der Trainerfrage behalten wir kühlen Kopf“, war da von Bertram zu lesen. Und: „Es muss und wird eine Lösung geben, die unserem Verein gerecht wird.“ Wie und wann – darüber schwieg des Präsidenten Höflichkeit.

Unmittelbar nach Unions Debakel in Köln hatte Bertram noch erheblich damit zu kämpfen gehabt, Contenance zu wahren. „Sehr viel Selbstdisziplin" müsse er gerade aufbringen, gestand er. Von einer ganz neuen Erfahrung sprach er, von dem Neuanfang, der jetzt erst recht bevorstehe, und wie unsinnig es wäre, jetzt hektische Entscheidungen zu treffen. Wie wohl die Spieler mit dieser Niederlage umgehen werden, wurde Bertram gefragt. „Dazu kann ich nichts sagen, ich bin da nicht so nah dran", antwortete er. Und, damit wirklich kein Missverständnis aufkommt: „Das ist alles Sache unseres Trainers.“

Fachlich wurde Heiner Bertram dann aber doch noch. Und übte gleich massiv Kritik an Wassilew. Der Präsident meinte, Unions Auftritt beim 1. FC Köln sei „taktisch ein Desaster“ gewesen. Kann man die Fachkompetenz eines Trainers in noch schärferer Form anzweifeln? Allerdings: Bertram hatte ja Recht. Indirekt und mit weitaus weniger drastischen Worten bestätigte Kölns Trainer Friedhelm Funkel die Aussage des Union-Präsidenten. „Unser Gegner hat sich zu sehr auf Dirk Lottner konzentriert“, sagte Funkel, und die Freude war ihm anzumerken, dass ein paar andere Kölner Profis dadurch ungeahnte Freiräume bekamen, vor allem Abwehrchef Thomas Cichon. Funkel: „Der Gegner wusste teilweise überhaupt nicht mehr, wo er hinlaufen sollte.“

Derlei Orientierungsprobleme seiner Elf muss Georgi Wassilew bis zum 20. Oktober abstellen. Dann empfängt Union nämlich Wacker Burghausen. Nur ein Sieg würde die Trainerdiskussion stoppen. Vorübergehend.

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