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© dpa

Nürburgring: Vettelwetter in der Eifel

Mithilfe der Witterung und der deutschen Fans will der Formel-1-Star Sebastian Vettel auch sein Heimrennen auf dem Nürburgring gewinnen

Sebastian Vettel mag es, die Kontrolle zu haben. Über ein schnelles Auto, über seine Gegner, vor allem aber über sich selbst. So will er auch vor dem Großen Preis von Deutschland am Wochenende die Deutungshoheit über seine Person nicht abgeben. „Ich betrachte mich nicht als Star“, stellt der deutsche Formel-1-Pilot fest. Und wie um diese These zu untermauern, erzählt er von seiner bescheidenen Geburtstagsparty. „Letzte Woche bin ich 22 geworden“, sagt er. „Ich habe nicht groß gefeiert, nur ein bisschen mit der Familie gegrillt.“ Vielleicht hebt sich Sebastian Vettel die große Party aber auch nur noch auf.

Denn trotz seiner Abwehrversuche ist der 22-Jährige längst in die Rolle eines Stars geschlüpft. Sehr zur Freude von Walter Kafitz. „Sebastian Vettel ist ein Geschenk des Himmels“, sagt der Geschäftsführer des Nürburgrings. „Er ist in doppeltem Sinne ein Siegertyp: Er ist schnell und hat einen gewinnenden Charakter.“ Diese Kombination habe auch entscheidenden Anteil daran, dass sich der Kartenverkauf auf einem „stabil hohen Niveau“ bewege, sagt Kafitz. Tatsächlich liege er sogar deutlich über dem des Jahres 2006, als ein gewisser Michael Schumacher letztmals hier antrat.

Ob nun Stern und Geschenk des Himmels oder nicht, fest steht: Vettels kometenhafter Aufstieg in der Formel-1-Szene lässt vor dem Rennen auf dem Nürburgring die Erinnerung an große Zeiten aufkommen. Immerhin ein mittelgroßer Hype ist um den Heppenheimer ausgebrochen, auf den verschlammten Campingplätzen verdrängen seine Fanutensilien langsam das Schumi-Rot und sogar eine Tribüne am Ring wurde mit Unterstützung seines Sponsors nach ihm benannt. Die anderen deutschen Fahrer haben sich damit arrangiert, dass sie in der Aufregung um den Red-Bull-Piloten ein wenig untergehen. „Dass der Fokus vor allem auf Sebastian liegt, ist doch nur normal“, sagt BMW-Pilot Nick Heidfeld. „Er fährt eine sehr gute Saison und kämpft immer noch um die WM – was soll man anderes erwarten?“

Nach seinem Erfolg in Silverstone hat der derzeitige WM-Dritte auch bei seinem Heimrennen beste Siegchancen. Auf Vettels Seite steht dabei neben den Fans in erster Linie das berüchtigte Eifelwetter. Die magische Erfolgsformel lautet: Je kälter, desto redbulliger, je nasser, desto vetteliger. Auch Vettels großer Rivale, der WM-Führende Jenson Button, kennt diese Gleichung. „Im Moment ist das nicht der beste Kurs für unser Auto“, sagt er, während kleine Kondenswölkchen aus seinem Mund in die kühle Luft stoßen. Er blickt in den Himmel. „Das Wetter wird vermutlich ziemlicher Müll. Vor allem die Kälte beunruhigt mich ein bisschen.“

Am Freitag herrschten rund um die Nürburg kaum mehr als zwölf Grad, später regnete es sogar, und auch für das heutige Qualifikationstraining (14 Uhr, live bei RTL) und das Rennen am Sonntag sind keine tropischen Temperaturen vorausgesagt. Diese Bedingungen halfen Vettel schon in Silverstone, da Buttons Brawn-Mercedes dann große Probleme damit hat, die Reifen auf Betriebstemperatur zu bringen. Im Regen hat der Deutsche außerdem zwei seiner bislang drei Großen Preise gewonnen. Weil Vettels Red Bull überdies auch ein paar kleine Verbesserungen aufweist, gibt sich der Deutsche hoffnungsvoll: „Wir sind hier, um zu gewinnen. Ein Heimsieg ist natürlich etwas Besonderes, auch wenn es nicht mehr Punkte dafür gibt als anderswo.“ Damit ist auch klar, dass Vettel den WM-Kampf trotz 25 Punkten Rückstand auf Button nicht aufgibt: „Wir sind immer noch in einer sehr guten Position und haben gerade einmal Saisonhalbzeit. Ich kann noch Weltmeister werden.“

Ganz so einfach wird die Mission Heimsieg für Vettel aber nicht werden, und am Freitag begann sie unter denkbar ungünstigen Vorzeichen. Schon nach zehn Runden des ersten Freien Trainings streikte die Elektronik seines Red-Bull- Renault, im zweiten war er als Zweiter nur drei Hundertstelsekunden schneller als Button. Außerdem hat Vettel ausgerechnet bei seinem Heimrennen Button gegenüber ein Erfahrungsdefizit. Zwar hat er schon in diversen Rennserien auf dem Ring seine Runden gedreht, doch „in einem Formel-1-Auto fahre ich hier das erste Mal“.

Außerdem hofft der Brite, dass er des kühlen Klimas zum Trotz ein wenig stärkere Gegenwehr leisten kann als bei seinem Heimrennen vor drei Wochen. Zum einen liege der Nürburgring mit seinen vielen langsamen Kurven dem Brawn prinzipiell besser und zum anderen verspreche man sich viel von der Benutzung weicher und damit leichter aufzuwärmender Reifen. Und dann sei da noch die psychologische Großwetterlage. „Es ist ein großes Rennen für Sebastian“, sagt Button mit unheilvoller Stimme, „er fühlt bestimmt ein bisschen Druck.“ Auch in diesem Punkt beansprucht Vettel allerdings die Interpretationshoheit für sich. „Ich sehe das nicht als Nachteil“, erklärt er. „Das gibt einem höchstens noch mehr Kraft, das Allerletzte aus sich herauszuholen.“ Eventuell reicht die Kraft ja sogar, um am Ende des Wochenendes noch eine größere Party durchzustehen.

Christian Hönicke[Nürburg]

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