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Legt die Handschuhe ab: René Adler wird Schwarz-Rot-Gold bei der Weltmeisterschaft nicht im Tor unterstützen können. Foto: ddp

© REUTERS

Sport: Nummer eins fehlt

Nach der Absage des verletzten René Adler muss der Bundestrainer einen neuen Stammtorhüter benennen – und einen dritten Torwart

Es waren alles andere als gute Nachrichten, die Bundestrainer Joachim Löw gestern aus Leverkusen zugetragen wurden. Die erste kam nicht allzu überraschend. Dass Simon Rolfes wegen der Folgen eines Knorpelschadens im rechten Knie nicht rechtzeitig für die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika fit werden würde, war schon länger abzusehen. Was dann kurz darauf folgte, stürzt den Bundestrainer jedoch in arge Probleme: René Adler, den Löw als Stammtorhüter für die WM ausgeguckt hatte, muss auf seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft verzichten. „Wir sind heute Morgen informiert worden“, ließ der Bundestrainer verlauten. „Natürlich tut es uns sehr leid, dass René nun doch operiert werden muss.“ Gerade mal einen Monat vor der WM steht Joachim Löw damit ohne Nummer eins da.

Adlers Rippenverletzung, die er sich Mitte April zugezogen hatte, erwies sich als schwerwiegender als zunächst angenommen. Am Wochenende stand der 25-Jährige nur zwei Wochen nach seinem Unfall und mit Billigung der behandelnden Ärzte schon wieder im Tor. Doch sein Einsatz gegen Hertha BSC kam wohl zu früh, wie sich letztlich herausstellte. „Ich habe wirklich noch einmal alles versucht, doch ich musste einsehen, dass es keinen Sinn hat“, sagte Adler. Rippenverletzungen sind äußerst schmerzhaft und langwierig. Am Montag nun soll der Bruch operiert werden. „Auf Dauer hätte ich sowohl im Training als auch in den Spielen keine Bestleistung bringen können“, sagte Adler mit Blick auf die WM. „In einem derart langen und intensiven Turnier aber ist das unerlässlich. Da braucht es topfitte Spieler.“

Dass er die Entscheidung so getroffen hat, dürfte auch mit den Erfahrungen zusammenhängen, die Adler mit der ersten Verletzung dieser Art gemacht hat. Im Jahr 2006 hatte er mit einem Rippenbruch, allerdings an anderer Stelle, zu kämpfen, zwischenzeitlich drohte ihm sogar das Ende der Karriere. Damals wurde eine Titanplatte mit vier Schrauben eingesetzt. Ähnliche Befürchtungen muss Adler dieses Mal wohl nicht haben. Dennoch wird er frühestens zu Beginn der kommenden Saison wieder im Tor stehen können.

Während Adlers Ausfall Bayer Leverkusen nur im finalen Bundesligaspiel bei Borussia Mönchengladbach trifft, muss Bundestrainer Löw seine komplette WM-Planung überarbeiten. Zwei Fragen hat er zu klären: Wer wird an Adlers Stelle die neue Nummer eins – Manuel Neuer oder Tim Wiese? Und wen nimmt er als dritten Torhüter mit nach Südafrika? Allzu viele Kandidaten kommen für diese Rolle nicht mehr infrage, denn neben der fachlichen Qualifikation spielt auch soziale Kompetenz eine wichtige Rolle. Dritter Torhüter bei einer WM zu sein bedeutet: trainieren, trainieren, trainieren – und ansonsten immer schön die Klappe halten. Noch nie ist bei einem großen Turnier Deutschlands dritter Torhüter zum Einsatz gekommen. Diese speziellen Anforderungen sprechen gegen einen Kandidaten mit ausgeprägtem Ego wie Roman Weidenfeller von Borussia Dortmund oder Frank Rost vom Hamburger SV. Der Stuttgarter Jens Lehmann, der an diesem Wochenende seine Karriere beendet, ist für Löw schon lange kein Kandidat mehr, und für die Position als Nummer drei schon mal gar nicht. Die beste Eignung bringt wohl Jörg Butt mit, fachlich (als Torhüter des neuen Deutschen Meisters Bayern München) und auch charakterlich. Butt, inzwischen 36 und für Torhüterverhältnisse ein erstaunlich stiller und zurückhaltender Zeitgenosse, war schon bei der EM 2000 und der WM 2002 Deutschlands dritter Torhüter. Er würde bestimmt gerne wieder einspringen, zumal er sich schon damals gewundert hat, wenn er wegen seiner Rolle bedauert wurde: „Als wenn das eine Strafe wäre“, bei einem großen Turnier dabei zu sein.

Auch wenn Löw die Frage nach dem dritten Torhüter für Südafrika schon am Donnerstag bei der Nominierung seines vorläufigen WM-Aufgebots beantworten muss – die kniffligere Entscheidung ist die, wer bei der Weltmeisterschaft tatsächlich im Tor stehen wird. Manuel Neuer nahm die Nachricht von Adlers Verletzung mit gemischten Gefühlen auf. „Es ist komisch, damit umzugehen, schließlich wünscht man ja keinem Spieler eine Verletzung“, sagte er. Sein Konkurrent Tim Wiese sagte: „Ich weiß nicht, ob ich jetzt die Nummer eins bin.“ Der Bremer ist mit 28 Jahren älter und erfahrener als sein vier Jahre jüngerer Konkurrent Manuel Neuer, doch Löw hat bisher immer sehr deutlich durchschimmern lassen, dass er das Torwartspiel des Schalkers, das stärker der Zukunft zugewandt ist, mehr schätzt als Wieses eher traditionellen Stil.

Ob er seine neue Nummer eins schon zu Beginn der WM-Vorbereitung benennen wird oder das Trainingslager als Ausscheidungswettkampf nutzen will, hat Löw bisher offen gelassen. Beide Kandidaten sind zumindest in einer Hinsicht gleichauf: Beide haben erst zwei Länderspiele bestritten. Bis zur WM können noch maximal drei hinzukommen. Das ist zwar ungewöhnlich, jedoch keineswegs einzigartig. Als Wolfgang Fahrian 1962 in Chile an seinem 21. Geburtstag zu seinem WM-Debüt kam, konnte er auf die Erfahrung von exakt einem Einsatz im Nationaltrikot zurückblicken.

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