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René Herms

© dpa

Nur 26 Jahre alt: Rätseln über Tod von René Herms

Der 800-Meter-Läufer wurde am Samstag in seiner Wohnung gefunden. Ist eine verschleppte Grippe die Ursache?

Berlin – Für René Herms hatte gerade erst ein besonderes Jahr angefangen. Ein Jahr, in dem er noch einmal zeigen wollte, wie viel Begabung zum Laufen in ihm steckt, wie schnell er die 800 Meter im Stadion rennen kann. Das hätte er im eigenen Land tun können und trotzdem eine Weltöffentlichkeit erreicht, bei den Weltmeisterschaften im August im Berliner Olympiastadion. Dafür wollte Herms im Januar in ein Trainingslager nach Portugal reisen. „Er hat mir sehr deutlich gemacht, welch großes Ziel die WM für ihn ist“, erzählt Jürgen Mallow, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Doch René Herms ist mitten in seiner sportlichen Karriere aus dem Leben gerissen worden. Am Samstag wurde er tot in seiner Wohnung in Lohmen bei Pirna gefunden – mit 26 Jahren.

Die Polizei hat in einer ersten Stellungnahme sowohl Fremdeinwirkung als auch einen Suizid ausgeschlossen. Sie hat Ermittlungen aufgenommen und will sich an diesem Montag noch einmal äußern. Im Moment gibt es allenfalls Hinweise darauf, dass Herms an einer Herzmuskelentzündung gestorben sein könnte, weil eine Grippe oder ein grippaler Infekt möglicherweise nicht ganz auskuriert gewesen ist. Er soll noch am Freitagabend trainiert haben.

Herms war schon früh an die deutsche Spitze gelaufen, er war erst 19 Jahre alt, als er 2001 zum ersten Mal Deutscher Meister über 800 Meter wurde. Diesen Titel gewann er auch in den folgenden fünf Jahren. Mit seiner Bestzeit von 1:44,14 Minuten aus dem Jahr 2004 war Herms auf einem guten Weg, an die Erfolge von zwei anderen deutschen 800-Meter-Läufern anknüpfen zu können: Willi Wülbeck und Nils Schumann. Der Rheinländer Wülbeck wurde 1983 in Helsinki Weltmeister und lief dabei in 1:43,65 Minuten den deutschen Rekord, der bis heute nicht übertroffen wurde. Der Thüringer Schumann holte 2000 in Sydney Olympiagold.

Herms ließ Schumann auf der nationalen Ebene hinter sich, international schaffte er es nicht ganz nach vorne. Ein siebter Platz bei den Europameisterschaften 2002, eine Halbfinalteilnahme bei den Olympischen Spielen 2004, ein zweiter und dritter Platz beim Europacup sowie ein Sieg beim Hallen-Europacup waren seine besten Ergebnisse. Doch für einen Mittelstreckenläufer sind 26 Jahre kein Alter, Wülbeck lief seine Bestzeit mit 28 Jahren. Und hätte es einen besseren Zeitpunkt für ein Comeback geben können als die WM in diesem Jahr?

„Ich bin einfach schockiert. Er war ein dufter Typ und fairer Sportsmann“, sagt der Deutsche Crossmeister Franek Haschke, der drei Jahre gemeinsam mit Herms trainiert hat, „er war einer, den man auch mal anrufen konnte, wenn man ein Problem hat“, erzählt der 28-Jährige. „Es ist einfach erschreckend“, sagt Sportdirektor Mallow, „wir arbeiten tagtäglich mit jungen und gesunden Athleten zusammen, motivieren sie für die Leichtathletik und dann zeigt uns das Leben, dass es so früh zu Ende gehen kann.“

Wenn Sportler jung sterben, gerade in der Leichtathletik, stellt sich die Frage, ob nicht der Missbrauch von Medikamenten eine Rolle gespielt haben könnte. „Es ist klar, dass darüber spekuliert wird, das können wir auch gar nicht verhindern“, sagt Mallow, „aber wenn wir einen Hinweis darauf gehabt hätten, dann wären wir aktiv geworden.“ Auch die von Herms gelaufenen Zeiten geben keinen Anlass zu einem Dopingverdacht. In den vergangenen beiden Jahren lief er seiner Bestzeit um mehr als eine Sekunde hinterher. Und auf seiner Internetseite hat er geschrieben: „Gewinnen ist schön, aber nicht alles im Leben.“ Und über sein Ziel im Sport: „Alles aus mir herauszuholen und meine Träume ohne Doping zu verwirklichen, auch wenn ich dadurch nicht immer ganz oben auf dem Siegerpodest stehen kann.“

In Erwägung gezogen wird eine Herzmuskelentzündung als Todesursache des Wirtschaftsstudenten. Dass er zuletzt krank war, bestätigte sowohl Herms‘ Managerin Kerstin Pohlers, die von einer Grippe berichtete, die Herms über Silvester hatte, als auch der Vereinsvorsitzende der LG Braunschweig Bernhard Bröger. Herms startete seit 2007 für Braunschweig. Eine Herzmuskelentzündung durch eine verschleppte Grippe oder einen Infekt ist schon einigen Sportlern zum Verhängnis geworden. Allerdings starben Sportler dabei oft unmittelbar unter Belastung im Training oder Wettkampf. Herms dagegen wurde in seiner Wohnung gefunden. „Zu dieser Jahreszeit sind die Trainingsbelastungen im Allgemeinen noch nicht besonders hoch. Der Fokus liegt eher auf der Steigerung der Ausdauerfähigkeit.“, sagt Carsten Schlangen, der beste deutsche Läufer über 1500 Meter der vergangenen Jahre. Er selbst läuft gelegentlich in angeschlagenem Zustand, dann meist mit geringeren Intensitäten. „Wenn ich leicht erkältet bin, trainiere ich in der Regel weiter; allerdings nicht im Grenzbereich. Ein Restrisiko bleibt aber immer.“

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