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Sport: Nur die Seevögel ziehen weiter

Hertha BSC muss für den Einzug in das Viertelfinale im Uefa-Cup erst noch Boavista Porto ausschalten

Porto. Mit dem internationalen Flair ist das so eine Sache. Man soll es genießen, solange es geht, das Ende kommt oft schnell und unverhofft. Für Fußballer von Hertha BSC etwa könnte es schon heute Abend vorbei sein mit den Auftritten jenseits von Hamburg, Stuttgart oder München. Lass sie noch ein wenig genießen, werden die portugiesischen Seevögel gedacht haben und besetzten die Betonpiste, auf der doch gerade das Flugzeug aus Berlin landen wollte. „Achtung: Seevögel auf der Landebahn“, meldete der Tower, und so flog der Pilot noch eine Warteschleife über Porto, über die Atlantikküste, den Hafen am Douro und die vielen Portweinkellereien, von denen die Berliner Fußballer nichts haben werden als diesen flüchtigen optischen Eindruck. Heute Abend (21.30 Uhr, live in der ARD) steht Anderes im Vordergrund. Nach dem 3:2-Sieg im Hinspiel über Boavista Porto reicht Hertha BSC ein Unentschieden zum Einzug ins Viertelfinale des Uefa-Cups. Nur einmal kamen die Berliner weiter, nämlich bis ins Halbfinale. Aber das liegt lange zurük, fast 24 Jahre.

Es wird in diesen Tagen viel erzählt über Herthas Siegeszug von 1979, das dramatische Ausscheiden gegen Roter Stern Belgrad. Huub Stevens mag diese Geschichten nicht. „Wenn ich das höre, dann werde ich bekloppt“, sagt der holländische Trainer in Berliner Diensten. Und wehe, wenn ihn einer auf seinen Uefa-Cup-Sieg 1997 mit Schalke 04 anspricht: „Was interessiert mich Schalke! Ich arbeite bei Hertha BSC.“ Über ein Da Capo des Triumphes mag Stevens nicht reden, das könnte ihm als mangelnde Wertschätzung des heutigen Gegners ausgelegt werden, „und ihr habt doch alle gesehen, wie stark Boavista im Hinspiel war, oder?“ Nun, darüber gehen die Meinungen auseinander. Nicht aber darüber, wie wichtig der heutige Abend für Hertha ist. Es geht weniger um ein lukratives Geschäft, das lässt sich nur in der Champions League machen und nicht im Uefa-Cup. Viel wichtiger ist, dass Hertha auch fortan die Möglichkeit hat, zur besten Fernsehzeit auf der internationalen Bühne vorzuspielen. In den Worten von Marketingstrategen wie Dieter Hoeneß klingt das so: „Wir müssen die Marke Hertha BSC positionieren.“ Die Berliner werden bei dieser Gelegenheit gern und regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Marke Hertha über Bremen, Hamburg oder Nürnberg hinaus doch noch recht unzureichend positioniert sei. Genauso regelmäßig und weniger gern antwortet Herthas Manager Hoeneß, alle mögen doch bitte die Gesetze von Markt und Zeit nicht ganz außer Acht lassen. 1988, als ein damals noch weitgehend unbekannter Verein namens Bayer Leverkusen den Uefa-Cup gewann, kickte Hertha noch drittklassig in der Berliner Oberliga gegen den TSV Rudow und die Lichterfelder SU. Einen europäischen Spitzenklub, sagt Hoeneß, „den bekommt man nicht durch Fingerschnipsen“.

Es ist schnell gegangen mit Herthas Comeback im Kreis der ernst zu nehmenden Klubs, und Hoeneß mag nicht so recht einsehen, dass Stagnation auf hohem Niveau seinem Klub als Negativum angekreidet wird. Immerhin sei Hertha als einziger Klub neben Bayern München und Bayer Leverkusen seit 1999 regelmäßig im Europapokal. Das ist schon richtig, sagen die Kritiker, aber abgesehen von Herthas internationalem Comeback vor dreieinhalb Jahren in der Champions League hat es doch immer nur zum Uefa-Cup gereicht, mit der bunten, aber unbedeutenden Gegnerschaft aus Stavanger, Chisinau oder Wronki. So etwas hinterläßt keinen bleibenden Eindruck – weder beim Publikum noch beim kickenden Personal. Nationalspieler Sebastian Deisler hat seinen Abschied aus Berlin vor einem halben Jahr unter anderem mit der internationalen Perspektive seines neuen Klubs Bayern München begründet: „Natürlich spiele ich lieber in Barcelona als in Stavanger.“ Solche Bemerkungen sind kleine, aber schmerzhafte Stiche in das Berliner Selbstwertgefühl. „Wenn es uns gelingen sollte, dass ein Spieler wie der Sebastian wegen der guten Perspektive in Berlin seinen Vertrag verlängert, dann haben wir es geschafft“, sagt Hoeneß. Das funktioniert nur über die Champions League.

Hertha aber kickt weiter im Uefa-Cup – allerdings unter größerer Aufmerksamkeit, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Vom Achtelfinale an wird der Wettbewerb ernst genommen. Im Hinspiel verfolgten am eher unattraktiven Spätnachmittag fünf Millionen Fernsehzuschauer den mühevollen Berliner Sieg über Boavista, heute Abend dürften es noch mehr sein. Dazu kommt der sportliche Anreiz. „Mit jedem Sieg kommen wir ein Stückchen näher nach Sevilla“ sagt Dieter Hoeneß. Sevilla? Gewiss, dort steigt am 21. Mai das Finale, aber diesen Hinweis spart Hoeneß sich lieber. Schließlich steht ein paar Meter weiter der strenge Huub Stevens, und der mag es gar nicht, wenn am hellichten Tag geträumt wird.

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