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Sport: Nur kicken können sie nicht

Der frühere österreichische Nationaltrainer Alfred Riedl sucht auf der ganzen Welt nach Fußballern für die palästinensische Nationalmannschaft

Auch an diesem Abend sitzt Österreichs ehemaliger Fußball-Nationaltrainer Alfred Riedl wieder einmal frustriert in einer Hotellobby, in einem kleinen Dorf im Oberbergischen Land. Es scheint, als bereue der 50- Jährige seinen tollkühnen Entschluss, Palästinas Fußballer für die Weltmeisterschaft 2006 zu trimmen. „Freundlich sind die jungen Burschen alle. Nur kicken können sie nicht“, mosert der neue Nationaltrainer Palästinas nach seinem vierten Lehrgang, der diese Woche in Wiehl bei Köln zwischen satten Wiesen und trägen Kühen stattfand – und wieder einmal keinen Erfolg brachte.

Vor drei Monaten hatte sich Riedl, ausgewiesener Experte für skurrile Abenteuer, überreden lassen, ein Fußballteam für Palästina zusammenzustellen, das die Qualifikation für die WM in Deutschland schaffen soll. Doch dieser Job ist nicht zu vergleichen mit seiner Missionsarbeit in Vietnam oder Liechtenstein, wo er bereits Nationaltrainer war. Während er dort immerhin einige Voraussetzungen vorfand, hat der Österreicher mit Palästina nicht einmal einen völkerrechtlich anerkannten Staat. Geschweige denn Spieler.

„Das Niveau ist frustrierend“, berichtet er. Deshalb hat der ehemalige Nationalspieler eine globale Tingeltour gestartet. Wie eine Rasterfahndung mutet seine Methode dabei an. Per Annonce lanciert er im jeweiligen Land die Meldung: „Der Palästinensische Fußballverband ruft seine Spieler!“ Alle Fußballer, die anreisen, werden akribisch beobachtet. Was sich Erfolg versprechend anhört, ist jedoch höchst frustrierend.

In den bisherigen Trainingscamps in Syrien, Libanon, Oman und Deutschland habe er schon so einige Rumpelfußballer gesehen. Auch in Wiehl war der Lehrgang wieder eine Katastrophe. „Manche haben nicht mal den Ball getroffen“, sagt Riedl. Um nicht leer auszugehen, hat er sich nach drei Tagen Probetraining auf einem Aschenplatz drei Telefonnummern aufgeschrieben. Jedoch mehr aus Verpflichtung heraus, denn die drei Hoffnungsträger fielen vor allem durch Übergewicht von 10 bis 18 Kilogramm auf. „Es ist unheimlich schwer, aus dem Nichts eine Mannschaft zu formen“, sagt Riedl. Wahrscheinlich hätte er längst aufgegeben, wären da nicht die ambitionierten Geschäftsleute im Hintergrund, die ihre Hoffnung in ihn setzen. „Die beten als gute Moslems jeden Tag dafür, dass wir uns für die WM qualifizieren. Und im Gegensatz zu mir glauben die an den Erfolg!“

Angefangen hat alles mit dem Kinofilm „Das Wunder von Bern“. Davon hatte der mächtige Geschäftsführer Taysir Barakat gehört. Beziehungsweise davon, dass der Sieg der Deutschen zu einer großen Identifikation einer zerrütteten Nation geführt habe. „Ich habe gelesen, dass Bundeskanzler Schröder beim Kinofilm geweint hat“, sagt Barakat. Und so beschloss er, am Wunder von Palästina zu arbeiten – alle Hindernisse ignorierend. Seit drei Jahren existiert in Palästina kein Ligabetrieb mehr. In ihrer Heimat ist den Spielern nicht mal erlaubt, für die Nationalmannschaft zu trainieren. Der Verband hat sein Hauptquartier in Ägypten aufgeschlagen. Ihre Heimspiele tragen sie in Katar aus. Anreisen können nur die wenigsten. Die Ausgangssperre der Israelis zerstört manchen fußballerischen Traum.

Und doch herrscht Euphorie. Seitdem Riedls Team Taiwan in der Qualifikation 8:0 bezwungen hat, fiebern alle dem nächsten Spiel gegen den Irak am 31. März entgegen. Doch Riedl weiß: „Gegen die haben wir keine Chance.“ Um nicht ganz unterzugehen, hat er seine ungewöhnliche Suche gestartet. Chilenen, Argentinier, Engländer, Deutsche und Schweden stellen das Gerüst des Teams. Um den Spielern etwas bieten zu können, hat Riedl mehr als 50 Trainingsanzüge mit dem Schriftzug „Nationalteam Palästina“ verschenkt. „Die Jungs reisen mehrere hundert Kilometer an, mit der Hoffnung, entdeckt zu werden.“ Da traue er sich nicht, ihnen abzusagen und auch noch den Trainingsanzug wieder abzunehmen.

Christoph Bertling

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