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Sport: Nur nicht New York schlagen

Die St. Louis Rams stecken in Schwierigkeiten.

Die St. Louis Rams stecken in Schwierigkeiten. Nicht, weil sich in Marshall Faulk der wichtigste Ballträger des einzigen noch ungeschlagenen Teams der National Football League (NFL) verletzt hat. Das Dilemma steckt im Spielplan: Nach dem Sieg gegen die Giants muss der Superbowl-Sieger von 2000 an diesem Wochenende mit den Jets schon beim zweiten New Yorker Team antreten.

Noch vor Monaten hätte sich die meisten Sportfans in den USA hämisch über einen erfolgreichen Streifzug der Geißböcke durch die Stadt am Hudson River gefreut. Nicht nur im Football, auch in den anderen großen Ligen stießen die Mannschaften der 8-Millionen-Metropole außer bei ihren eigenen Fans auf wenig Sympathie. Zu offensichtlich schienen die Bevorteilungen der Klubs des größten TV-Markts Nordamerikas. Zu verbittert waren die Anhänger über wankelmütige Teameigner, die ihre Mannschaften kurzerhand von einer Stadt in die andere verpflanzten, während in den großen Ligen teilweise mehrere Teams aus New York an den Start gingen. Das alles hat sich geändert, seit im südlichen Teil Manhattans das World Trade Center in Trümmern am Boden liegt. Selbst den verhassten Yankees, Rekordmeister der Baseball-Liga MLB und nicht nur ihres Namens wegen in anderen Stadien so umstritten wie hierzulande der FC Bayern München, schlägt eine Sympathiewelle entgegen. Das führt sogar so weit, dass ihnen nun öffentlich ein neuerlicher Titelgewinn gegönnt wird.

Verhasste Yankees

Es fällt auf, dass es dem Sport in den USA nur schwer gelingt, zur Normalität zurückzukehren. Trotz aller Bemühungen, die sportlichen Aspekte wieder in den Vordergrund zu rücken, herrscht Verunsicherung im rauen US-Sport, in dem sonst selbst schwere Verletzungen als Begleiterscheinungen der Show akzeptiert werden. So haben NFL und NHL vor dem Hintergrund der Anschläge mit Milzbranderregern ihre Teams aufgefordert, Post vor dem Öffnen genau zu untersuchen und selbiges nur mit Handschuhen vorzunehmen. Bill Romanowski, Verteidiger der Denver Broncos, ist zwar nicht wirklich beunruhigt, "aber es reicht, um meine Post nicht selbst zu öffnen". Sein Mannschaftskollege Brian Griese sieht das anders. "Fan-Post zu beantworten ist Teil meiner Arbeit", sagt der Quarterback, schränkt aber gleichzeitig ein: "Natürlich werde ich in Zukunft ein bisschen mehr auf verdächtige Briefe achten." Die Fans selbst füllen die Stadien im selben Maße wie vor den Anschlägen. Doch die Stimmung ist eine andere.

Selbst bei Aufeinandertreffen von Erzrivalen steht der Patriotismus an erster Stelle. Das leidenschaftliche Absingen der Nationalhymne gehört zwar schon immer zum Vorprogramm jeder noch so kleinen Sportveranstaltung, doch Vorkommnisse wie beim NHL-Spiel zwischen den New York Islanders und den Detroit Red Wings sind auch in den USA nicht alltäglich. Zum Gedenken an die Opfer der Anschläge standen zunächst die Spieler des Heimteams mit einer Nationalflagge auf dem Eis, als plötzlich die Spieler der Red Wings sich solidarisch dazugesellten. Und das, obwohl die Anwesenden mehrheitlich aus Kanada oder Russland stammten.

Diese Ereignisse dürften auch bei den St. Louis Rams zumindest leise Fragen aufgeworfen haben, ob es nicht besser wäre, zumindest ein Spiel gegen die beiden Klubs aus New York zu verlieren. Um der guten Sache willen. Zumal seit dem 11. September der neue Leitspruch der Football-Liga NFL lautet: United we stand. Ob Damien Robinson von den New York Jets vereint mit seinen Mitspielern am Sonntag gegen die Rams auf dem Rasen stehen wird, ist hingegen fraglich. Der Verteidiger war im jüngsten Heimspiel mit einer Waffe im Handschuhfach im Giants-Stadium aufgetaucht, das zurzeit zu den meistbewachten Gebäuden der Welt zählt. "Ich habe vergessen, sie nach dem Besuch auf einem Schießstand aus dem Wagen zu nehmen", entschuldigte sich Robinson. Ein Versehen, das ihm bis zu fünf Jahre Haft einbringen könnte.

Christian Hönicke

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