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Sport: Nur Siegen ist schöner

Die deutschen Skispringer motivieren sich vor der Vierschanzentournee mit den Erfolgsbildern aus dem Vorjahr

Oberstdorf. An den Weihnachtsfeiertagen hat sich Reinhard Heß etwas Besonderes gegönnt. Der Bundestrainer des deutschen Skisprungteams setzte sich vor seinen Fernseher und genoss auf „Eurosport“ die Wiederholung der letztjährigen Vierschanzentournee. Dort sah er Sven Hannawald noch einmal zum Tourneesieg fliegen, sah die deutschen Zuschauer vor Begeisterung auf und ab springen und sah sich selber vor Freude die deutsche Fahne in die Kamera halten. „Das wirkt bei mir immer noch nach“, sagt Reinhard Heß. Die alten Bilder stimmen den Bundestrainer milde. „Wenn in diesem Jahr ein Springer aus einer anderen Nation gewinnt, warum nicht?“, sagt der Bundestrainer, „Das wäre nur ausgleichende Gerechtigkeit.“ Was freilich nicht bedeutet, dass die deutschen Skispringer bei der heute in Oberstdorf beginnenden 51. Vierschanzentournee (13.45 Uhr, live in RTL) die Order haben, den Sieg einem Springer aus einer anderen Nation zu überlassen.

„Ich hoffe, dass wir am Ende einen auf dem Treppchen haben“, sagt der Bundestrainer. Die Chancen stehen gut, dass dieser eine Sven Hannawald heißt. Der Vorjahressieger springt bereits wieder sehr weit. In den letzten drei Weltcup-Wettbewerben kam er auf die Ränge vier, drei und eins. „Auch Martin Schmitt und Michael Uhrmann können eine starke Rolle spielen“, sagt Heß. Zieht man die Weltrangliste zu Rate, ist Uhrmann mit Platz sechs gegenwärtig der beste deutsche Springer. Der 24-Jährige aus Ruhpolding hatte zu Beginn der Saison von den Deutschen die besten Ergebnisse geholt. In den letzten Springen aber hatte Uhrmann Probleme, in der gestrigen Qualifikation sprang er nur auf Rang 31. Zu Saisonbeginn hatte sich das Interesse der Öffentlichkeit noch vermehrt auf Uhrmann gerichtet, was auch daran lag, dass Sven Hannawald außer Form war und Martin Schmitt nach seiner Knieoperation noch nicht am Weltcup teilnahm.

Das hat sich geändert, doch Schmitt sucht noch seine Form. „Vor einem Jahr hätte ich meinen Zustand als katastrophal bezeichnet“, sagte der Mannschafts-Olympiasieger von Salt Lake City. „Ich habe noch nicht die Stabilität, die ich sonst habe.“ Nach einer Knieoperation im Dezember absolvierte er am vorigen Wochenende in Engelberg seinen ersten Wettbewerb in diesem Winter. In der Qualifikation aber konnte er mit 112,5 Metern und Rang zwei bereits wieder überzeugen. „Es war ganz okay“, sagte Schmitt bescheiden. Aber nach diesem Ergebnis zählt der 24-Jährige bereits wieder zum erweiterten Favoritenkreis im heutigen Springen.

„Die Favoritenrolle haben die Österreicher“, sagt Heß. Vor allem Martin Höllwarth, der die Tournee im vergangenen Jahr hinter Hannawald auf Rang zwei abschloss, macht dem Team Austria Hoffnung. „Ich fühle mich gut“, sagt der Weltcupführende, „ich möchte einfach gute Sprünge machen, dann ist der ein oder andere Sieg drin.“ Die gesamte österreichische Mannschaft überraschte bislang positiv in diesem Winter. Als Ursache gilt ein Trainerwechsel in diesem Sommer, als der Finne Hannu Lepistö seinen Vorgänger Toni Innauer ablöste.

Nun springt auch Andreas Widhölzl, der vor drei Jahren die Vierschanzentournee gewann, wieder konstant in der Weltspitze mit. Neben Andreas Goldberger ist auch der österreichische Nachwuchs um den 18-jährigen Andreas Kofler für eine Überraschung gut. Höllwarth freut sich. „So liegt der Leistungsdruck nicht auf einem Mann“, sagt der 28-Jährige, „wenn einer versagt, springt ein anderer in die Bresche.“ Mit einem neuen Anzug, der eine Lücke im Reglement nutzt und im Schritt dem Wind noch etwas Auftriebsfläche bietet, treten einige österreichische Springer in dieser Saison an. Der Anzug ist regelgerecht, weshalb sich kein Konkurrent offiziell über das neue Outfit beschwert. Trotzdem rief die „Bild"-Zeitung bereits den Schanzenkrieg aus. „Hanni gegen die Bösis“ glaubt die Zeitung als das entscheidende Duell bei dieser Vierschanzentournee ausgemacht zu haben. Doch auch der Pole Adam Malysz, der vor zwei Jahren die Tournee gewonnen hat, oder der Weltcupzweite Janne Ahonen aus Finnland sind zu beachten.

Bei der gestrigen Qualifikation, die um 75 Minuten verschoben werden musste, weil sich zu viel Regen in der Anlaufspur gesammelt hatte, erwies sich der Norweger Roar Ljoekelsoey mit 113,5 Metern als bester Springer. Er wird im heutigen K.o.-Durchgang gegen Sven Hannawald antreten. Der 28-Jährige war bereits am Vormittag mit 120,5 und 117 Metern die besten Weiten gesprungen.

„Ich bin überrascht, wie gut es im Moment läuft“, sagt Sven Hannawald. „Der Einzige, der zurzeit einen Strich durch die Rechnung macht, ist der Herrgott.“ Womit er den Dauerregen von Oberstdorf gemeint haben dürfte. Hannawald ließ nach den guten Trainingssprüngen die gestrige Qualifikation einfach aus. Im Vorjahr hatte er das vor jedem Springen der Vierschanzentournee so gemacht. Wer nicht weiß, wie das endete, braucht sich nur die Wiederholungen auf „Eurosport“ ansehen.

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