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Sport: Nur Tango ist trauriger

Der legendäre argentinische Klub River Plate unterliegt Boca Juniors und spürt, dass der ständige Weggang seiner Stars nicht zu kompensieren ist

Buenos Aires. Der Held war in seine Heimat zurückgekehrt. Und er hatte einen guten Grund. Andres D’Alessandro, der Spielmacher des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg, der Mini-Maradona, wie sie den schmalen Argentinier nennen, wollte sich den 175. Klassiker von Buenos Aires zwischen River Plate und Boca Juniors nicht entgehen lassen. Das ist für Argentinier der Höhepunkt eines jeden Jahres. Umso bitterer war es für D’Alessandro, den früheren Kapitän von River Plate, dass er mit ansehen musste, wie seine Mannschaft gegen Boca sang- und klanglos mit 0:2 verlor.

Die beiden Hauptstadtvereine zählen zu den ruhmreichsten der Erde. Beide gewannen jeweils das Weltpokalfinale, das Duell des Südamerikameisters mit dem Sieger der Champions League. Und seit Jahren bedienen sich ambitionierte europäische Vereine ihrer Stars. In diesem Sommer traf es besonders River Plate. Allein an den VfL Wolfsburg verlor der Klub neben D’Alessandro (9,5 Millionen Euro) auch noch Juan Carlos Menseguez. Zudem hatte sich der FC Bayern Martin Demichelis eingekauft. Vor allem an der Person D’Alessandros lassen sich die Schwierigkeiten von River Plate erklären: Während in den letzten Jahren die Verkäufe von Stars wie Aimar, Saviola oder Crespo schnell durch Nachwuchsspieler kompensiert werden konnten, geriet dieser Mechanismus nun zum ersten Mal ins Stottern. Die Abgänge von sechs weiteren Stammspielern konnten nicht verkraftet werden. Der Plan, die Mannschaft durch „Re-Importe“ erfahrener Legionäre zu stabilisieren, scheiterte. Marcelo Salas und Angel Gallardo sind seit ihrer Rückkehr verletzt. Nelson Vivas trat nach Streitigkeiten mit den Fans ebenso zurück wie Ariel Ortega, der seinen Widerstand gegen die nach Streitigkeiten mit Besiktas Istanbul gegen ihn verhängte Sperre aufgab.

Gegen die eingespielte Boca-Mannschaft offenbarten sich die Schwächen von River Plate. Der 19-jährige Daniel Ludueña machte als D’Alessandros Nachfolger gegen Sebastian Battaglia keinen Stich. Mittelstürmer Fernando Cavenaghi, der bereits in München und Wolfsburg im Gespräch war, hing in der Luft. Die Abwehr, in der neben dem Wahl-Münchner Demichelis zwei weitere Stammkräfte fehlten, ließ sich ausspielen, und so ging Boca durch ein Kopfballtor von Sebastian Battaglia in Führung.

In der Halbzeitpause ließ sich D’Alessandro ausgiebig von seinen Fans umjubeln. Noch immer ziert ein riesiges Poster von ihm den Fanshop im Stadion. Und nachdem D’Alessandro demonstrativ ein imaginäres River-Wappen auf seinem T-Shirt geküsst hatte, folgte zu Beginn der zweiten Halbzeit ein Powerplay seiner Mannschaft. Es war allerdings nicht von Dauer. Denn kurz darauf machte der Brasilianer Iarley mit dem 0:2 allen Hoffnungen ein Ende.

Während Boca weiter die Tabelle anführt, liegt Titelverteidiger River mit zwölf Punkten Rückstand auf Platz acht. Obwohl die Fans vehement seinen Rücktritt forderten, versuchte der chilenische Trainer Manuel Pellegrini, ruhig zu bleiben. Die Frage, ob der Tiefpunkt nun endgültig erreicht sei, verneinte er. Da er zu den übrigen Ausfällen nun auch noch drei Spieler zur U-20-WM in die Vereinigten Arabischen Emirate abstellen müsse, seien weitere schmerzliche Niederlagen nicht auszuschließen.

Die Junioren-WM könnte einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Meisterschaft haben. Während Boca-Star Carlos Tevez mit Hinweis auf seine Teilnahme am Weltpokalfinale gegen den AC Mailand absagte, wird der Tabellenzweite San Lorenzo fünf Spieler an den Persischen Golf schicken. An Tevez, so ist zu hören, gräbt nun auch wieder der FC Bayern verstärkt. Der 19-Jährige habe sich mit den Münchnern bereits geeinigt. Das Problem ist die Ablösesumme. Die Bayern bieten zwölf Millionen Dollar, Boca fordert 22 Millionen.

Heinrich Geiselberger

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