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Obergföll siegt vor Stahl: Das Speerwurf-Duell ist entschieden

Zum Istaf-Auftakt gewann Christina Obergföll heute mit einer begeisternden Leistung den Speerwurf vor Europameisterin Linda Stahl. Im Olympiastadion herrscht bei bestem Wetter schon am Nachmittag Partystimmung.

Am Aufgang der Kurve verneigten sich zwei Frauen gleichzeitig vor dem Publikum. Sie hatten eine zwei Meter breite Deutschlandfahne gepackt, die flatterte nun über ihren Köpfen. Christina Obergföll und Linda Stahl bedankten sich für den stürmischen Applaus, für das aufmunternde, motivierende Klatschen, das sie begleitet hatte. Und die 48.000 Zuschauer bedankten sich für einen Speerwurf-Wettbewerb, der vor allem eine Demonstration der Vize-Europameisterin Christina Obergföll gewesen war. Als sie im letzten Versuch anlief, da war jeder ihrer Schritte eingebettet in eine zunehmend stärker werdende Lärmkulisse. Ein mächtiger Stemmschritt, ein mächtiger Armzug, der Lärm schwoll noch weiter an, ging nahtlos über in begeistertes Klatschen. Und im Anlaufbereich hüpfte Christina Obergföll wie ein kleines Mädchen, das ihren Wunsch-Teddybären geschenkt bekommen hatte. Die Spitze ihres Speers hatte sich bei 67,57 Metern in den Rasen des Olympiastadions gebohrt. Saisonbestleistung, der klare Sieg vor Linda Stahl, der Europameisterin (61,82 Meter). „Für mich waren diese 67,57 Meter sehr wichtig“, sagte Obergföll. „Ich wollte der Weltklasse zeigen: Hey, ich bin auch noch da.“

Es war der erste Höhepunkt des Istaf. Das Meeting hat gleich mit einer spektakulären Leistung begonnen. Es hat also alles gepasst. 48.000 Zuschauer sorgen für eine sehr gute Atmosphäre, das Wetter ist schön, die Sonne scheint, ideale Bedingungen also für ein solches Meeting. Das gute Wetter und die Tatsache, dass auch noch der Weitsprung kurzfristig ins Programm genommen wurde und damit Europameister Christian Reif in Berlin springen kann, das alles hat mehr Zuschauer angelockt als ursprünglich erwartet. Zeitweise herrschte bereits am frühen Nachmittag Party-Time, als die Spitzenathleten im Cabrio zu Rockmusik-Klängen über die blaue Bahn gefahren wurden zum Beispiel. Auf einer Klarinette blies ein Musiker sogar die Deutschland-Hymne. Stille, dann dröhnender Applaus.

Die Dramaturgie des Istaf ist gut inszeniert. Speerwurf der Frauen, das war ein glänzender Einstieg. Denn natürlich war dieser Wettbewerb im Kern das Duell Stahl – Obergföll, Überraschungs-Europameisterin gegen leicht frustrierte EM-Zweite. Es ist nichts Persönliches, die beiden verstehen sich ganz gut, die Szene mit der Fahne hat das ja gezeigt. Aber Linda Stahl hatte mit ihrem Siegwurf in Barcelona bei der EM Christina Obergföll das Gefühl von Genugtuung geraubt. Die Offenburgerin wollte die EM als große Bühne für ihr Comeback nützen. Sie hatte eine frustrierende Saison 2009 hinter sich, bei der sie im WM-Finale nur Fünfte wurde und so enttäuscht war, dass sie nach dem Wettbewerb völlig abtauchte. Monatelang ergab sie sich der Sinnsuche. Den Gang ins Training erledigte sie so emotionslos wie ein Beamter seinen Weg ins Büro. Christina Obergföll funktionierte, sie lebte den Sport nicht. Kurzzeitig dachte sie sogar ans Karriere-Ende. Erst ihr Trainer und andere Menschen, denen sie vertraute, überzeigten sie behutsam, doch noch weiter zumachen.

Aber weitermachen ohne den demonstrativen Beweis, dass die eigene Klasse noch vorhanden war, das ging nicht. Die EM sollte der Beweis sein. Doch die EM war nur der Beweis dafür, dass ihr wieder eine andere Deutsche die Show gestohlen hatte. Im WM-Finale feierte Steffi Nerius einen glanzvollen Sieg, in Barcelona Linda Stahl.

Obergföll hatte zwei Möglichkeiten. Aufgeben oder Trotzreaktion. Sie wählte die zweite Variante. In Zürich siegte sie mit glanzvollen 67,31 Metern, die erste Demonstration. Die zweite war heute das Istaf. Schon im ersten Versuch warf sie den Speer 63,73 Meter weit, das bedeutete die klare Führung. Dann legte sie nach, 65,10 Meter. Jetzt hatte sie endgültig ihre Bühne. Linda Stahl lag mit 59,94 Meter abgeschlagen auf Rang vier.

Aber noch gab Linda Stahl nicht auf. Ihr letzter Versuch, der Speer flog auf 61,82 Meter. Sie lag damit immer noch 2,28 Meter hinter Obergföll. Es war klar, wer hier die Nummer eins ist. Aber Christina Obergföll wollte mehr. Sie wollte nicht bloß einen klaren Sieg. Sie wollte eine Demonstration. Für sich, ihre Kritiker, ihre Konkurrenz. Als sie zu ihrem letzten Versuch anlief, da setzte sie dieses Ausrufezeichen.

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