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Am Boden: Salomon Kalou hat für Hertha BSC in der Rückrunde erst ein Tor erzielt. Für einen Stürmer mit seiner Vita ist das viel zu wenig.

© imago/Bernd König

Offensivprobleme bei Hertha BSC: Ein Haken zu viel

Das 0:0 gegen den 1. FC Köln zeigt, dass Hertha BSC in der neuen Saison mehr Qualität in der Offensive benötigt - im aktuellen Kader können die Offensivspieler nicht so recht überzeugen.

Mitte der zweiten Halbzeit sah sich Salomon Kalou genötigt, seine Multitasking-Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Der Stürmer von Hertha BSC rang mit seinem Gegenspieler – vor allem aber rang er mit dem Ball. Anstatt den schnellsten Weg zum gegnerischen Tor zu suchen, schlug er einen Haken. Die Zuschauer pfiffen. Der nächste Kölner kam, Kalou schlug den nächsten Haken. Die Zuschauer pfiffen wieder. Als er den Ball schließlich auf die linke Seite passte, hatte sich die Abwehr des FC längst wieder formiert.

Die Verpflichtung des 29 Jahre alten Kalou hat im vergangenen Sommer einigen Wirbel in Berlin ausgelöst. Die Anhänger des Fußball-Bundesligisten fühlten sich gebauchpinselt: ein echter Champions-League-Sieger für ihre Hertha. Inzwischen ist die Euphorie weitgehend verflogen. Sechs Tore hat der Ivorer erzielt, zwei davon per Elfmeter. Das ist nicht viel für einen Stürmer, der von sich selbst immer noch die höchste Meinung hat.

Beim 0:0 gegen den 1. FC Köln hatte der Ivorer drei mehr oder weniger gute Möglichkeiten; er vergab sie mehr oder weniger kläglich. Kalou trifft oft die falschen Entscheidungen. Er ist kein Zielspieler, der vorne die Bälle festmacht, und zum Konterstürmer fehlen ihm derzeit Zielstrebigkeit und Dynamik. Trotzdem sagt Trainer Pal Dardai: „Er hat unser Vertrauen. Bei zwei, drei Bewegungen zeigt er, dass er ein Weltklassespieler ist.“ Gegen Köln ließ Dardai Kalou bis zum Abpfiff auf dem Platz – in der Hoffnung, dass ihm vielleicht doch noch die eine entscheidende Aktion gelingt. So wie gegen Augsburg, als er zwei Minuten vor dem Ende das finale 1:0 erzielte. „Er kann auch aus dem Nichts treffen“, sagte Dardai. Inzwischen ist es allerdings eher so, dass Kalou gar nicht mehr trifft. In der Rückrunde kommt er auf ein Tor und eine Vorlage.

Untypisch dominant: Gegen den 1. FC Köln war bei Hertha eine neue Qualität zu erkennen

Das Spiel gegen Köln war in vielem typisch für Hertha im Frühjahr 2015. Die Mannschaft stand stabil in der Defensive, im zehnten Spiel unter Dardai blieb sie zum sechsten Mal ohne Gegentor. Untypisch war hingegen, wie dominant die Berliner zeitweise auftraten, wie offensiv sie zu Beginn der zweiten Hälfte verteidigten und sich dabei einige Chancen erspielten. „Unser Ballbesitz hat gut ausgesehen“, sagte Dardai. Im Spiel mit dem Ball waren in der Tat erste Anzeichen einer neuen Qualität zu erkennen. Bisher hat sich Hertha mit der fußballerischen Initiative oft überfordert gezeigt. Dardai hat das im Sinne des großen Ganzen billigend in Kauf genommen, mittel- bis langfristig aber will er das Design des Spiels deutlich verändern. Ob das, was seine Spieler gegen Köln zeigten, seinem Ideal nahe gekommen sei, wurde der Trainer gefragt. „Ja, aber mit Tor“, antwortete er.

Das 0:0 war das siebte Spiel hintereinander ohne Niederlage. Eine solche Serie gelang Hertha zuletzt vor neun Jahren – mit Pal Dardai im defensiven Mittelfeld. „Damals war in der Mannschaft ein bisschen mehr Torgefahr, auch von einzelnen Spielern“, sagt Dardai. Genau daran mangelt es aktuell. In den zwölf Rückrundenspielen schoss Hertha ganze zehn Tore. Nur Paderborn (vier) und der Hamburger SV (sieben) kommen auf weniger. „Uns fehlt die letzte offensive Aggressivität“, sagt Dardai.

Bei Hertha BSC fehlt es in der Offensive an Qualität

Es fehlt in der Offensive aber auch individuelle Qualität. Höheren Ansprüchen haben in dieser Saison nur Valentin Stocker genügt, der wohl beste Fußballer in Herthas Kader, und der längerfristig verletzte Julian Schieber. Herthas bester Torschütze verfügt zumindest über eine beeindruckende Wucht im Spiel nach vorne. Es war bezeichnend, dass Dardai gegen Köln nur einmal wechselte, obwohl er mit Ronny und Sandro Wagner noch zwei Offensivspieler auf der Bank hatte. Und auch bei den anderen Offensivspielern sind Zweifel angebracht. Nico Schulz (ein Tor, ein Assist) ist jung und dynamisch – viel mehr im Moment aber auch nicht. Mit Änis Ben-Hatira (vier Tore, vier Assists) lässt sich wegen seiner Verletzungsanfälligkeit auf Dauer nicht vernünftig planen. Roy Beerens (drei Tore, ein Assist) beherrscht ein paar feine Tricks, ist von seinen Gegenspielern aber längst entschlüsselt, und Genki Haraguchi (ein Tor, ein Assist) spielt in den entscheidenden Momenten oft zu fahrig.

Wenn Dardai mit Hertha mittelfristig aktiver Fußball spielen will, braucht die Mannschaft mehr Qualität in der Offensive. In der vergangenen Woche ist das Gerücht aufgekommen, dass der 1. FC Köln über eine Verpflichtung von Adrian Ramos nachdenke. Wenn die Kölner sich tatsächlich mit dem Kolumbianer beschäftigen, der bei Borussia Dortmund nur eine unbedeutende Nebenrolle spielt, dann sollte Hertha das schnellstens ebenfalls tun.

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