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Fenerbahce's Verteidiger Egemen Korkmaz gegen Olivier Giroud vom FC Arsenal.

© AFP

"Ofsayt" - Die Fußballkolumne aus der Türkei: Kanarienvögel im Sturm

Unser Istanbul-Korrespondent Thomas Seibert schreibt in seiner Kolumne "Ofsayt" immer dienstags über den türkischen Fußball. In der dritten Folge geht es um die Traditionsvereine Fenerbahce und Besiktas Istanbul und die Folgen des Manipulationsskandals.

Die Aufdeckung des größten Manipulationsskandals in der Fußballgeschichte der Türkei liegt zwar schon zwei Jahre zurück, doch die Folgen werden erst jetzt richtig spürbar. Besonders für den Istanbuler Traditionsverein Fenerbahce sind sie schmerzhaft.

Nach monatelangen verdeckten Ermittlungen kam die Staatsanwaltschaft Istanbul im Sommer 2011 zu dem Schluss, dass sich Fenerbahce die Meisterschaft der Saison 2010/2011 mit Bestechungszahlungen regelrecht gekauft hatte. Auch Besiktas, ein weiterer Istanbuler Spitzenverein, geriet ins Visier der Ermittler.

Ein Strafprozess am Bosporus endete im vergangenen Jahr zwar mit Verurteilungen hoher Funktionäre, auch wurde Fenerbahce unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals auf Druck der Uefa vom türkischen Fußballverband aus der Champions League zurückgezogen, doch seither hat sich nur wenig geändert. So ist der reiche Unternehmer Aziz Yildirim, für die Staatsanwaltschaft der Hauptschuldige in dem Skandal, trotz einem Jahr im Gefängnis nach wie vor Vereinspräsident von Fenerbahce. Viele Anhänger sehen den Klub als schuldloses Opfer von Intrigen seiner Gegner.

Doch nicht nur Istanbuler Staatsanwälte und Richter haben eine beträchtliche Schuld bei Fenerbahce ausgemacht. Vergangene Woche bestätigte der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne offiziell einen zweijährigen Ausschluss des Vereins aus den europäischen Fußballwettbewerben. Besiktas erhielt eine einjährige Sperre. Der Cas bestätigte damit Entscheidungen der Uefa, doch Fenerbahce erkennt die Beschlüsse von Uefa and Cas nicht an und will diese durch einen Einspruch vor den Schweizer Gerichten kippen.

Viel Hoffnung verbreitet dieser verzweifelte Versuch am Bosporus jedoch nicht. Einige Profis der „Kanarienvögel“, wie die Spieler von Fenerbahce wegen ihrer blau-gelben Trikots genannt werden, denken angeblich über einen Wechsel nach, weil sie durch die Entscheidung für einen beträchtlichen Zeitraum ihrer Karriere von der internationalen Bühne verbannt worden sind.

Für den Verein bedeutet die Cas-Entscheidung zudem, dass er höchstinstanzlich und ganz offiziell als Übeltäter gebrandmarkt worden ist – und dass er nicht nur Ansehen, sondern auch viel Geld verliert. Auf mindestens 15 Millionen Euro schätzt die türkische Presse den finanziellen Verlust für den Verein in den kommenden zwei Jahren. Der Kurs der Fenerbahce-Aktie an der Istanbuler Börse rutschte in den Keller.

Die in Turbulenzen geratenen Kanarienvögel wollen nun bei einer außerordentlichen Generalversammlung am 26. Oktober über die ungemütliche Lage beraten. Noch ist unklar, ob Aziz Yildirim erneut als Vereinspräsident kandidiert, ob es einen Neuanfang geben wird oder ein Weiter So. In der Presse fordern einige Kommentatoren den Rücktritt des Klubchefs.

Unterdessen steht Fenerbahce-Trainer Ersun Yanal vor der schwierigen Aufgabe, seine Profis trotz der Verbannung aus Europa in den nächsten zwei Jahren einigermaßen motiviert zu halten. Überraschenderweise sieht es dabei nicht einmal ganz schlecht aus. Laut Presseberichten hielt Yanal vor dem Spiel seiner Mannschaft gegen den zentralanatolischen Verein Sivasspor am vergangenen Wochenende in der Kabine eine mitreißende Rede, in der er die Spieler aufforderte, alle äußeren Faktoren auszublenden und sich einzig und allein auf die Meisterschaft zu konzentrieren. Anschließend siegten die Kanarienvögel mit 5-2.

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