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Sport: Ohne Worte

Die Blamage von La Coruña wird die Spieler des FC Bayern München noch einige Zeit beschäftigen

München. Einige Mitreisende machten sich ernste Sorgen, als ein Mann wortlos und mit ungesund rotem Kopf zwischen ihnen und dem Gepäckband vorbeihastete. Menschen mit medizinischem Sachverstand hätten ihm dringend eine Messung des Blutdrucks empfohlen. Nach der Ankunft auf heimischem Boden schien es, als habe Uli Hoeneß auch körperlich Schaden genommen auf dem Ausflug in den Norden Spaniens, der für ihn noch schlimmer endete, als er begonnen hatte. Auf dem Weg zum Hinflug war ihm Anfang der Woche ein unachtsamer Verkehrsteilnehmer ins Heck seines teuren Dienstautos gefahren, doch was der Manager des FC Bayern München danach zu ertragen hatte, wird ihm weitaus mehr zugesetzt haben: der sportliche Totalschaden, der sich ungebremst angekündigt hatte und einen neuen Tiefpunkt markiert in seiner mehr als zwanzigjährigen Amtszeit.

Mit Abstand folgten Hoeneß einige fahle Gestalten, die merkwürdig abwesend wirkten, als sie in schleifendem Schritt den grünen Ausgang-Schildern folgten. Zu sagen hatten die Spieler nichts, doch sie kamen auch ohne Worte aus, um die Botschaft zu verbreiten, dass sie noch nicht weit fortgeschritten waren bei der Verarbeitung des Erlebten – dem 1:2 in La Coruña, dem Ausscheiden aus der Champions League und dem Verpassen des Uefa-Cups.

In ergebener Andacht hatten die Gescheiterten beim Bankett am Spielabend der Ansprache von Karl-Heinz Rummenigge gelauscht, die nur deshalb nicht wie eine echte Grabrede klang, weil Grabredner meist Nettes zu sagen haben. Der Vorstandschef presste ausnahmslos uncharmante Worte ins Mikrofon, er sprach von einer „Blamage“, einer „Schande“, von einem „finanziellen Loch“, das nun entstehen werde, kurz: Er unternahm wenig, um den Spielern das Gefühl zu nehmen, mehr als ein kümmerlicher Haufen von Taugenichtsen zu sein: „Wir haben in den letzten Wochen oft über Schicksal gesprochen, über fehlendes Glück, über Pech. Wir haben dieses Schicksal auch nicht erzwungen. Da muss man Leidenschaft zeigen. Das ist nicht gelungen.“ Michael Ballack nickte und sagte schuldbewusst: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“ Sein Leid wurde gestern noch größer, als eine Kernspintomografie ergab, dass er einen Kapselanriss im Fuß erlitten hatte. Er fällt damit für das Bundesligaspiel am Sonntag in Bremen aus. Roque Santa Cruz erlitt einen Mittelhandbruch, Hasan Salihamidzic eine Adduktorenzerrung.

Franz Beckenbauer stellte sich vor seinen Trainer. Der Präsident sagte: „Hitzfeld steht nicht zur Disposition.“ Der Trainer bemühte bei seiner ersten Deutung des Desasters gegen La Coruña seine laienpsychologischen Kenntnisse: „Man muss sich langsam die Frage stellen: Wieso verlieren wir entscheidende Spiele? Einige Spieler werden offenbar nicht mit dem Druck hier bei Bayern fertig.“ Man muss sich auch langsam die Frage stellen: Wie lange wird er selbst noch mit dem Druck fertig werden müssen?„Das ist die Ruhe vor dem Sturm“, sagte Hitzfeld. Er machte damit deutlich, dass er die Verantwortung nicht gänzlich selbst übernehmen will. Die Mannschaft habe sich „blamiert, nach fünf Spielen mit einem Punkt dazustehen. Da muss ich mir bei dem einen oder anderen Spieler Gedanken machen.“

Für die Besserbezahlten steht diesmal zu befürchten, dass nicht bloß die Kollegen Thiam oder Zickler gemeint sind, die sonst immer kritisiert werden. Das Spiel in La Coruña muss den Verantwortlichen vorgekommen sein wie ein Zeitraffer der bisherigen Champions-League-Erlebnisse: wenig Bereitschaft, wenig Wille, wenig Erfolg. Kompromisslose Geschlossenheit zeigten die Spieler erst nach dem Duschen: Im Kollektiv verweigerten sie jedweden Kommentar. Die Begründung entbehrte immerhin nicht einer gewissen Konsequenz. Die 150 Meter von der Kabine zum Pressebereich seien entschieden zu lang. Auf unmenschliche körperliche Anstrengungen hatten die Bayern schon zuvor verzichtet.

Daniel Pontzen

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