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Sport: Ohne Worte

Auch ein Fernsehauftritt zeigt: Jan Ullrich hat zum Thema Doping weiterhin nichts zu sagen

Als alles gesagt war am Montag in der Früh im Hamburger Hotel Intercontinental – das heißt, als alles nicht gesagt war –, kamen zwei, drei Rufe aus dem Plenum: „Herr Ullrich, und Sie beantworten tatsächlich keine Fragen?“ Das waren mehr rhetorische Rufe, nur, um sich zu vergewissern, wie sehr sich Jan Ullrich, der dopingverdächtige und zurückgetretene Radprofi, in seine eigene, sehr exklusive Lebenssicht eingenistet hat, in eine Art Parallelwelt. In der hat Realität keinen Platz. Ullrich reagierte denn auch in keinster Weise, und sein PR-Berater Michael Lang reagierte auch nicht. Da hat man sich schon gefragt, wofür so ein Berater eigentlich da ist und wofür er sein Geld erhält.

Kann ja auch sein, dass Jan Ullrich beratungsresistent ist, auf jeden Fall waren Rat und Entschluss, am Abend offenbar völlig unvorbereitet, ohne Taktik, Plan und Ziel in Reinhold Beckmanns Show zu gehen, keinen Pfifferling wert. Hat Ullrich niemand gesagt, dass Beckmann aus dem Sport kommt, dass er mal Sportjournalist war, im Zweifelsfall auch eher Fan ist und, in diesem Fall, betrogener Fan und daher gehörig stinkig? Ullrich war offensichtlich auf eine nette Plauderei gefasst, worauf schon sein beharrliches Duzen des Moderators hinwies, was den allerdings nicht irritierte. Beckmann blieb seriös beim Sie. Immerhin wurde auf diese Weise und durch einen bemerkenswert journalistischen und hartnäckigen Beckmann sichtbar, was am Morgen bei der Farce einer Pressekonferenz nicht sichtbar werden sollte: Jan Ullrich will nicht nur keine Fragen hören, er will sie vor allen Dingen nicht beantworten.

Denn Beckmann stellte, sozusagen stellvertretend für die am Morgen noch düpierten Journalisten, die richtigen Fragen. Zum Beispiel die simple Frage, ob Ullrich es denn begrüße, wenn nun seine Speichelprobe abgeglichen werde mit den Blutbeuteln, die beim Dopingarzt Eufemiano Fuentes gefunden worden waren. Man muss dazu wissen, dass Ullrich durch seine Anwälte bis zuletzt versucht hat, die Übersendung dieser ihm zugerechneten Blutbeutel nach Deutschland zu verhindern. Er müsste es begrüßen, weil er doch unschuldig zu sein vorgibt, weil dieser Abgleich seine Unschuld bezeugen könnte, aber er begrüßt es nicht, er windet sich, er redet wirr und flüchtet sich am Ende hinter seine Anwälte, die ihm geraten hätten, mitten im laufenden Ermittlungsverfahren nichts zu sagen. Nicht mal, ob er sich über einen Beleg seiner Unschuld freut.

Es gab zahlreiche Fragen, die Beckmann stellte, und es gab keine, die Ullrich beantwortete. „Warum haben Sie nicht gleich am 30.6.2006“ – dem Tag, an dem Jan Ullrich von der Tour de France ausgeschlossen wurde – „eine Speichelprobe abgegeben?“ Dazu hatte Christian Frommert, der seinerzeit das Krisenmanagement leitende Pressesprecher des T-Mobile-Teams, geraten. „Wo hätte ich sie denn abgeben sollen“, sagte Ullrich auf die ebenfalls nicht sehr schwere Frage, „ich konnte sie nirgendwo abgeben, das ist Fakt.“ Und immer wieder der Hinweis auf die Anwälte und das laufende Verfahren. Beckmann war sichtlich genervt.

Wie auch nicht, wenn er seinem Gast jede Chance einräumt zur Erklärung, zur Aufklärung, zu einer Richtigstellung und damit zu einer möglichen Rehabilitation, aber der Gast keine nutzt, sondern nur in der Verschwörungstheorie wabert. Gast: „Stimmt alles nicht. Da kann man sehr schön sehen, wie man Leute manipulieren kann.“ Moderator: „Was stimmt denn?“ Gast: „Kann ich nicht sagen.“

So geriet auch der zweite Auftritt an diesem Abschiedstag Jan Ullrichs zur Farce und Jan Ullrich zur Karikatur eines Sportlers, der mit sich im Reinen ist. Da sitzt keiner, der einen klaren Tisch machen will, der ein Ende setzen will und mit aufrechtem Gang von dannen gehen. Es wirkt viel mehr, als wolle sich da einer davonstehlen, doch diesmal wurde er gestellt. Von Beckmann und der Wirklichkeit der Ermittlungsberichte. Der hat Ullrich nichts entgegenzusetzen. Weil er nichts weiß? Wahrscheinlich doch eher, weil er zu viel weiß.

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